Die Erfolgsgeschichte begann mit einer jungen Kärntnerin, Melitta Schuler, die zur Ausbildung nach Deutschland ging und dort ihren zukünftigen Mann Friedrich Helmigk kennenlernte. 1950 gründete Helmigk den „Rundblick“ in Krumpendorf und brachte damit das erfolgreiche Lesezirkel-Modell nach Kärnten.
Melitta Schuler erfüllte sich einen Traum und ging zur Ausbildung zur Guts-Sekretärin nach Deutschland. Sie fand ihre erste Anstellung auf dem Rittergut Pinnow in Ost-Brandenburg (heute Polen), das Friedrich Helmigk, ihr zukünftiger Mann, führte. 1944 heirateten die beiden und noch im selben Jahr kam Sohn Heiner zur Welt. Zwei weitere Kinder folgten, Joachim und Anneliese.
Friedrich Helmigk war Landwirt. Er war der jüngste Sohn einer Gutsbesitzerfamilie aus dem Ort Pinnow. Das Gut, das er bewirtschaftete, umfasste 750 ha. Der Zweite Weltkrieg befand sich in der Endphase. Melitta Helmigk entschloss sich im Jänner 1945 zur Flucht vor der herannahenden Roten Armee. Mit ihrem dreimonatigen Sohn floh sie zu ihren Eltern nach Kärnten, während ihr Mann zum Volkssturm eingezogen wurde. Eingesetzt als Bunkerkommandant am Ostwall geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft und wurde in ein Kohlebergwerk hinter Moskau gebracht. Schwer krank kam er 1947 zu Frau und Kind nach Kärnten. Das Gut Pinnow, das über 200 Jahre im Familienbesitz war, gab es nicht mehr.
Friedrich Helmigk kannte das System Lesezirkel in Deutschland. Er stellte fest, dass es dieses Angebot in Kärnten nicht gab und so gründete er am 31. März 1950 den „Rundblick“. An diesem Tag wurde die erste Lesemappe um 7,50 Schilling Leihgebühr zugestellt. Das Geschäftsmodell war einfach und überzeugend: Warum viel Geld für Zeitschriften ausgeben, wenn man sie auch preiswerter mieten kann? Zu den Kunden zählten Ärzte, Friseure, Privathaushalte und Einrichtungen, in denen man sich die Wartezeit mit Zeitschriften verkürzen konnte. Die Zeitschriften rotierten bis zu sechs mal. Mit diesem Konzept ging es bergauf. Personal wurde eingestellt, und Zusteller brachten die Mappen zu den Kunden, zuerst noch mit dem Fahrrad, später dann mit dem Auto.
Anfangs waren die Zeitschriften noch in Packpapier gehüllt, doch bald erkannte man, dass die Hüllen perfekte Werbeträger waren.
Als Wohn- und Firmensitz diente das Haus von Heinrich und Fredericke Schuler, der Eltern der jungen Mutter, an der Kaiserallee. Das ursprüngliche Teehaus des Schlosses Krumpendorf wurde dafür um zwei Anbauten links und rechts zum Wohnhaus erweitert.
In einer Baracke wurden die Zeitschriften geheftet. Alle halfen mit.
Ein Risikokredit der Raiffeisen Kasse von 5.000 Schilling lieferte das nötige Startkapital. 1955 hatte die Firma bereits über 5.000 Kunden.
Dieser enorme Zuwachs machte den Bau eines eigenen Firmengebäudes unabdinglich. Es wurde 1960 fertiggestellt und seiner Bestimmung übergeben. Im Parterre befanden sich die Garagen, im 1. Stock die Firmenräume und unter dem Dach eine Wohnung.
Die Zeitschriften wurden in Krumpendorf geheftet, verpackt und dann zur Bahn gebracht. Von dort gingen sie in die jeweiligen Zustellgebiete.
In der Folge wurden in den (1960er und Anfang der 1970er Jahre) Lesezirkel-Firmen gekauft und durch Kundentausch ein einheitliches Verkaufsgebiet Kärnten/Osttirol geschaffen.
Als Schloss Hallegg 1965 zum Kauf stand, erwarb es Friedrich Helmigk, waren doch Melitta Helmigk und ihre Mutter in Hallegg geboren und aufgewachsen. Der Großvater Melittas, Franz Landschützer, hatte das Schloss 1913 ge- und 1929 verkauft. Damit erfüllte sich auch ein Wunsch von Friedrich Helmigk, dessen Liebe der Landwirtschaft, den Fischteichen und der Jagd gehörte. Er konnte sich an Hallegg noch 15 Jahre erfreuen und erlebte noch die Hochzeit seines Sohnes Heiner mit Magda, geb. Hambrusch, die 1973 auf Schloss Hallegg festlich gefeiert wurde. Er starb 1980 im Alter von 80 Jahren.
1976 wurde die Einpersonenfirma F. Helmigk in eine Familien-OHG, bestehend aus den Brüdern Joachim und Heiner Helmigk, umgewandelt.
Die Videothek
1981 startete Heiner Helmigk mit einem neuen Geschäftszweig, dem Videokassettenverleih, was anfangs auf viel Skepsis stieß. Auf seinen Reisen nach Deutschland hatte er das Geschäftsmodell kennengelernt und es passte gut zu den Zeitschriften. Man plante, mit den Zeitschriften auch Filme auf Videokassetten zu vermieten. Die Laufzeit wäre eine Woche gewesen. Bald merkte man, dass dies zu lange war, denn die Leute haben sich den Film gleich am ersten Abend angesehen. Also konnte man die Filme tageweise verleihen. Die ersten Filme wurden in Wien gekauft und in einem Koffer nach Kärnten gebracht. Heiner Helmigk inserierte seinen noch von zu Hause organisierten Videoverleih in der Zeitung. Im Nu waren die Filme weg. Der Bedarf war so groß, dass man die erste Videothek „Video-Service“ 1981 am Theaterplatz 1 in Klagenfurt eröffnete. Es war die erste Videothek in Kärnten. Von da an pendelte er zwischen Klagenfurt und Krumpendorf, kümmerte sich vormittags um den Lesezirkel und nachmiittags um die Videothek und den Einkauf der Filme. Tatkräftige Unterstützung erhielt er von seiner Schwester Anneliese und seiner Frau Magda, die die Videothek führten.
Das Geschäft wuchs rasant und bald gab es Filialen in Villach, St. Veit, Lienz und Bleiburg. Weitere Kooperationspartner wurden gefunden und so hatte man in fast allen großen Städten und Ortschaften Zugang zum Filmangebot.
Man erweiterte das Geschäft und verlieh auch Videoplayer, falls jemand kein Gerät selbst besaß. Auch professionelles Videoequipment stand zum Verleih. Die eigene Filmproduktionsfirma „Praesenta“ konnte für die Herstellung von Werbespots, Firmenportraits, Videos von Festen, Hochzeiten, etc. engagiert werden.
Heiner Helmigk erinnert sich:
Das Geschäft ist sehr schnell gewachsen. Wir haben dann in der Theatergasse noch einen Raum dazu gebaut. Hannes Majdic am Villacher Ring hat die Rekorder gehabt, ich die Kassetten. Wir haben gut zusammengearbeitet.
Wir haben gearbeitet wie die Wilden. Alle waren begeistert. 1984 haben wir schon den ersten Computer gehabt. Wir haben Fasching gefeiert. Alle im Geschäft waren verkleidet. 1986 haben wir unsere erste Faschings-Hausmesse veranstaltet. Unsere Stammkunden sind gekommen. Wir hatten ein super Team. Sogar einen Videokatalog mit all unseren Filmen haben wir herausgegeben.
Als die Zeit der Videokassette zu Ende ging, die DVD auf den Markt kam und das Satellitenfernsehen mit einer wesentlich größeren Programmvielfalt begann, sich zu etablieren, verkaufte Heiner Helmigkh 1992 die Videotheken.
Der Rundblick feiert 50-jähriges Firmenjubiläum
2000 war ein besonderes Jubiläumsjahr. „Der Rundblick Lesezirkel“ war 50 Jahre alt. 16 Mitarbeiter und 80 freie Ortszusteller waren im Unternehmen beschäftigt. Es wurden wöchentlich 20.000 Zeitschriften von 13 deutschen und 9 österreichischen Verlagen umgesetzt. Das Titelangebot umfasste 55 verschiedene Objekte.
Zur großen Jubiläumsfeier mit Belegschaft und Ehrengästen wurde am 13. Mai 2000 ins Parkhotel nach Pörtschach geladen.
Ein weiterer Zubau für die Fertigung der Zeitschriften wurde errichtet.
2006 starb Melitta Helmigk. Ein Jahr später erfolgte die Pensionierung von Heiner Helmigk, der sich damit aus dem operativen Geschäft zurückzog und die Geschäftsführung seinem Sohn Georg übergab. 2008 wurde die OHG in eine GmbH umgewandelt.
2007 verlieh die Gemeinde Krumpendorf dem Unternehmen das Recht zur Führung des Gemeindewappens.
Das 60-jährige Jubiläum wurde 2010 groß auf Schloss Hallegg gefeiert. Viele kamen, Geschäftspartner, Kunden, Freunde des Unternehmens, aktuelle und ehemalige Mitarbeiter.
Das Geschäft lief gut. 2012 wurde die Firma Lesezirkelagentur LZA mit Sitz in Wien gekauft. Die Firma hat die Werbung auf den Umschlägen verkauft, sowie Aufkleber und Beihefter zum Einlegen. Große Werbekunden kamen z.B. aus dem Kosmetikbereich. Diese wollten eine einheitliche Werbung in ganz Österreich. Dem konnte entsprochen werden. Alle Lesezirkel-Firmen waren Kunden der Agentur und führte die Werbeaufträge österreichweit durch. Später wurde der Sitz der LZA Werbe- und Verlagsagentur GmbH wurde nach Krumpendorf verlegt und somit ist sie bis heute Teil des Unternehmens.
Alle Lesezirkel-Firmen waren Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Media – Analysen (VMA). Die jährliche Studie zur Erhebung des Medienkonsums bescheinigte den österreichischen Lesezirkeln eine Reichweite von durchschnittlich 11% der Bevölkerung, das hieß 799.000 Leser pro Woche in Österreich. Diese Daten bildeten die Basis für die Kalkulation der Anzeigen- und Werbepreise.
2017 kam das Angebot, den Steirischen Lesezirkel „Am Kamin“ mit Sitz in Graz zu übernehmen. Die Firma wurde mit allem, was an Ausstattung vorhanden war – wie Autos, Einrichtung und Maschinen – gekauft, die Mitarbeiter übernommen, das Firmengebäude gemietet. Somit gab und gibt es in Österreich noch drei Lesezirkel: Morawa, Rundblick und den Vorarlberger Lesezirkel. Der Zugewinn der Steiermark war der Höhepunkt in der Unternehmensentwicklung. Das zusammenhängende Vertriebsgebiet umfasst jetzt Kärnten/Osttirol, Salzburg und Steiermark.
Corona
Der Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 ließ das Geschäft massivst einbrechen. Der angeordnete Lockdown hatte zur Folge, dass Geschäfte, die nicht der Grundversorgung dienten, geschlossen werden mussten. Dies betraf auch die Gastronomie und die Friseure. Zusätzlich empfahl die Österreichische Ärztekammer Maßnahmen für Ordinationen, im Wartebereich Zeitschriften und Zeitungen zu entfernen. Damit brachen die drei wichtigsten Säulen des Geschäfts weg.
Ärzte, Kaffeehäuser, Friseure riefen an und haben abbestellt, Zusteller wurden mit den Zeitschriften wieder weggeschickt. Die Leute hatten Angst, angesteckt zu werden. Kündigungen der Abos sind am laufenden Band hereingekommen. Die deutschen Zeitschriften-Verlage haben auf ihre Lieferbedingungen bestanden, und so mussten wir die Illustrierten abnehmen und bezahlen. Wir haben dann massenweise Zeitschriften verschenkt. Was nicht genommen wurde, kam in den Container. Wir haben unter hygienischen Bedingungen gearbeitet, mit Handschuhen, Mundschutz, desinfizierten Händen. In Deutschland konnten die Lesezirkel weiter liefern.
Zum Glück kam finanzielle Hilfe von der Regierung, die Banken haben die Kreditrückzahlungen ausgesetzt, Überbrückungskredit gab es und Kurzarbeit wurde eingeführt. Das hat der Firma über diese Zeit geholfen.
Heiner Helmigk, 2023
Man wollte nicht untätig bleiben und so bot „Der Rundblick“ als erste Stelle in Krumpendorf kostenlose Covid-19-Antigentests an. Dafür wurde die Firma LZAMED mit der Ärztin Dr. Sonja Helmigk, Ehefrau von Georg Helmigk, gegründet. Der Andrang war groß.
Auch nahm man Luftfilter ins Vertriebsprogramm, die in der Lage waren, Schadstoffe und Viren aus der Luft zu filtern. Gerade dort, wo mehrere Personen sich in einem Raum aufhalten, wie z.B. Schulen, Kindergärten, Arztpraxen, ein wichtiger Schutz vor Infektionen.
Nach Lockerung der Covid-19-Maßnahmen wurde das Lesezirkel-Geschäft wieder aufgenommen. Ein Teil der ehemaligen Kunden konnte zurückgewonnen werden.
2022 wurde aus Spargründen der Standort in Graz aufgegeben und nach Krumpendorf verlegt. Die Verarbeitung der Zeitschriften geschieht jetzt für das gesamte Vertriebsgebiet in Krumpendorf. Speditionen bringen diese in ihr jeweiliges Lager, von wo die Zusteller ausliefern.
Nach dem Rezept für den Erfolg des Unternehmens angesprochen, antwortet Heiner Helmigk:
Mein Vater hatte das Gespür, mit der Geschäftsidee zur richtigen Zeit am richtigen Ort gestartet zu sein. Das Unternehmen musste sich immer wieder den sich verändernden Marktbedingungen anpassen. Obwohl das Mietgeschäft mit Zeitschriften schon des Öfteren totgesagt worden war, gibt es den Rundblick noch immer.
Die wesentlichen Faktoren sind jedoch die langjährigen Mitarbeiter, unsere Angestellten und Zusteller. Wir sind ein Familienunternehmen. Wir haben die Zusteller geschult, Seminare veranstaltet, Experten geholt, die vorgetragen haben, um die Kompetenz und die Motivation zu steigern. Das sind die wichtigsten Personen im Unternehmen. Sie halten den Kontakt zu unseren Kunden.
Zeitschriften mieten anstatt kaufen, das ist nachhaltig.
Wir hatten auch immer ein gutes Einvernehmen zu den anderen Lesezirkeln, nie Konkurrenz gemacht. Es war ein faires Miteinander. Wenn z.B. ein Friseur bei einem anderen Lesezirkel war, habe ich meine Zusteller angewiesen, einen Bogen um ihn zu machen. Ich denke, dass diese Einstellung auch ein Grund dafür war, dass ich 24 Jahre Präsident vom Verband der Österreichischen Lesezirkel sein konnte.
Seit 2007 leitet Georg Helmigk in 3. Generation die Geschicke des Unternehmens. Der Blick ist bereits auf das 75-jährige Firmenjubiläum 2025 gerichtet.
Zur tabellarischen Firmenchronik
Zur Fotogalerie Zeitschriften-Covers
- Gespräche mit Heiner Helmigk am 3.11.2022 und 17.12.2022
- Fotos: Archiv der Firma „Der Rundblick Lesezirkel“, Kaiserallee 27, 9201 Krumpendorf
- www.rundblick-lesezirkel.at
- Wikipedia, COVID-19-Pandemie in Österreich
- Maßnahmen und Empfehlungen für Ordinationen in der COVID-19 Pandemie. ÖÄK 2020