Der nachfolgende Text wurde als Lehrbehelf für angehende Gendarmen kaum 16 Wochen nach Kriegsende 1945 verfasst. Er wird in der originalen alten Rechtschreibung wiedergegeben.
Der Beginn
Als Keimzelle der Organisation der österr. Gendarmerie ist die lombardisch-venezianische Gendarmerie anzusehen, die nach der Niederwerfung Napoleons im Jahr 1815 mit den Landesteilen, in denen sie ihren Dienst versah, an Österreich zurückfiel.
Dieses Gendarmerie-Korps war mit besonderen Rechten ausgestattet und versah seinen Dienst in der Lombardei und in Südtirol.
Die Gendarmen der lombardisch-venezianischen Gendarmerie durften in Ausübung ihrer Dienstverrichtungen von niemandem abgeschafft oder gestört werden. Ihrer im Namen des Landesfürsten ausgesprochenen Aufforderung mußte von jedermann Folge geleistet werden. Ihre Person war unverletzlich. Die Gendarmen hatten selbst das Recht Offiziere zu verhaften, wenn diese in ihrer Gegenwart ein Verbrechen begangen hatten. Über Verlangen des Offiziers mußte in einem solchen Falle der Gendarm seinen Namen und seinen Einteilungsort schriftlich bekanntgeben. Jeder Gendarm blieb für alle Dienstverrichtungen persönlich streng verantwortlich.
Insoferne an die Gendarmerie von Behörden Aufträge erteilt wurden, hatten diese schriftlich zu erfolgen. Mündliche Befehle erhielt der Gendarm nur von seinen eigenen Vorgesetzten. Eine Militärperson, die sich an einem im Dienste stehenden Gendarmen vergriff, wurde kriegsrechtlich behandelt und konnte von demselben auch auf der Stelle niedergemacht werden. Sollte dies dem Gendarmen selbst nicht möglich gewesen sein, so wurde ein solcher Verbrecher, nachdem er dingfest gemacht worden war, standrechtlich behandelt und erschossen. Von einer Truppe, die der Aufforderung eines Gendarmen nicht Genüge leistete, wurden die Schuldtragenden nach Kriegsrecht behandelt; waren jedoch Tätlichkeiten vorgefallen, so wurde jeder zehnte Mann erschossen.
Die lombardisch-venezianische Gendarmerie galt in ihrer gesamten Einheit als Regiment. Inspektor der Gendarmerie war ein Feldmarschalleutnant. Das Regiment gliederte sich weiters in Eskadronen, Flügel, Züge, Sektionen und Brigaden. Die Generalinspektion und das Regimentskommando waren in Mailand stationiert.
Die weitgehenden, der Gendarmerie eingeräumten Befugnisse, begründeten im Vereine mit der vorzüglichen Disziplin, welche diesem Gendarmerie-Korps innewohnte, dessen machtgebietende Stellung.
Der Ruf dieses Sicherheits-Korps als vorbildliches Verwaltungsinstrument war so groß, daß man sich entschloß, nach seinem Vorbilde eine Gendarmerie im ganzen Kaiserstaate Österreich aufzustellen. Der erste Verfechter dieser Idee war Ministerpräsident Fürst Schwarzenberg.
Über seinen Auftrag wurde beim Ministerium des Inneren mit Zuziehung von Vertretern der Ministerien des Krieges, der Finanzen, der Justiz, ferner des Wiener Stadthauptmannes Noé von Nordberg, der niederösterr. Regierung und des Majors der lombardischen Gendarmerie François eine Beratung über die Errichtung einer Gendarmerie für das ganze Gebiet des Kaisertums Österreich gepflogen.
Auf Grund des Ergebnisses dieser Beratung erstattete Minister Alexander Bach am 8. Juni 1849 einen Vortrag an den Kaiser.
Auf Grund dieses Antrages bewilligte Kaiser Franz Josef mit Allerhöchster Entschließung vom 8. Juni 1849 die Errichtung einer Gendarmerie im ganzen Umfange des österr. Kaisertums. Es wurde der Entwurf für ein organisches Gesetz der Gendarmerie ausgearbeitet, der zufolge Allerhöchster Entschließung vom 18. Jänner 1850 (RGBl. Nr. 19/1850) als provisorisches Gendarmeriegesetz allgemein kundgemacht wurde.
Feldmarschalleutnant Johann Kempen von Fichtenstamm, einer der einflußreichsten Generäle der damaligen kaiserlichen Armee wurde von Kaiser Franz Josef als Organisator der österr. Gendarmerie bestellt.
Gendarmerieinspektoren
Feldmarschalleutnant Johann Freiherr Kempen von Fichtenstamm 1849 bis 1859
Feldmarschalleutnant Carl Ritter von Steininger 1859 bis 1865
Feldmarschalleutnant Adolf Freiherr von Schönberger 1865 bis 1868
Oberst Ritter von Greipel 1868 bis 1871
Oberst Heinrich Ritter Giesl von Gieslingen 1871 bis 1894
Generalmajor Johann Edler von Horak [Anm: Horrak] 1894 bis 1903
Generalmajor Josef Döller von Wolframsberg 1903 bis 1907
Generalmajor Michael Tisljar 1907 bis 1917
Feldmarschalleutnant Franz Kanik 1917 bis 1918
Sektionschef Dr. Friedrich Gampp 1918 bis 1923
Gendarmeriezentraldirektor Georg Ornauer 1923 bis 1924
Gendarmeriezentraldirektor Franz Nusko 1924 bis 1929
Gendarmeriegeneral Jakob Burg 1929 bis 1938
Gendarmeriegeneral Franz Zelburg 1938
Gendarmeriezentralkommandant Emanuel Freiherr von Stillfried und Rathenitz 1945
—- oooo —-
An Offizieren und Mannschaften waren für Zwecke der Gendarmerie 12.000 Mann zu Fuß und 2.000 Mann zu Pferd von der aktiven Armee abzugeben. Den Truppenkommandanten wurde bedeutet, nur die besten Unteroffiziere für den Gendarmeriedienst auszuwählen, da ihnen sonst diese, wenn sie sich für die Gendarmerie nicht eignen sollten, auf ihre eigenen Kosten zurückgesendet würden. Gerade durch diese Verfügung wurde erreicht, daß die Gendarmerie tatsächlich nur moralisch einwandfreie und tüchtige Unteroffiziere zugewiesen erhielt.
Die Ausbildung der Offiziere und Mannschaften erfolgte durch Offiziere der lombardisch-venezianischen Gendarmerie.
Es wurden 16 Gendarmerie-Regimenter aufgestellt. Jedes Regiment gliederte sich wieder in Flügelkommanden, Korporalschaften, Posten, Sektionen und Züge. Die Gendarmerie nahm ihre Tätigkeit in den einzelnen Regimentern in der Zeit von November 1849 bis Ende 1850 auf.
Kommandant des ganzen Korps war der Gendarmerie-Generalinspektor, der in allen militärischen Belangen dem Kriegsminister, hinsichtlich der Verwendung der Gendarmerie auf dem Gebiete der öffentlichen Verwaltung dem Minister des Inneren unterstand. Bei jedem Regimentskommando befand sich ein Depotflügel, bei dem die erste theoretische Ausbildung der zur Gendarmerie versetzten Unteroffiziere erfolgte (heutige Gend.-Ergänzungsabteilung). Die einzelnen Unterabteilungen wurden von den verschiedenen Zwischenvorgesetzten teils periodisch, teils überraschend sowohl bei Tag als auch bei Nacht visitiert und in allen Belangen, insbesondere auch auf dem Gebiete der Gesetzeskunde eingehendst geschult.
Diese Maßnahmen waren es, die im Vereine mit der guten Qualität des Offiziers- und Mannschaftsmaterials und einer ausgezeichnet verfaßten, klaren Dienstinstruktion das Gedeihen der neuen Institution der Gendarmerie begründeten.
Sowohl in organisatorischer als auch gesetzlicher Hinsicht waren alle Voraussetzungen dafür gegeben, daß sich die Gendarmerie zu einem wertvollen Sicherheits- und Verwaltungsinstrument entwickle. Leider wurde die Gendarmerie im Laufe ihrer Entwicklung, namentlich in den Jahren 1852 bis 1860, zu Aufgaben herangezogen und verwendet, die ihrem innersten Wesen, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit völlig fremd waren.
Die Gendarmerie-Funktionäre erhielten vielfach den Befehl, über die politische Gesinnung und Wirksamkeit von Statthaltern, Bezirkshauptleuten, Richtern, Lehrern, Geistlichen und anderen Standespersonen zu relationieren.
Dem politischen Leben und Treiben zumeist verständnislos gegenüberstehend, entbehrten diese Gendarmerie-Funktionäre naturgemäß eines eigenen Urteils in politischen Dingen und waren auf die Mitteilungen ihrer Konfidenten angewiesen, die vielfach aus trüben Quellen schöpften. Oft erhielten sie auf diese Weise unzutreffende Relationen, welche dann im guten Glauben weitergeleitet wurden. Da derartige Relationen oft energische Maßnahmen gegen die zur Anzeige gebrachten Funktionäre zur Folge hatten, wurde diese Tätigkeit der Gendarmerie von den Zivilbehörden und anderen Kreisen bald als unerträglicher Eingriff in den Verwaltungsapparat empfunden. Das hieraus entspringende unleidliche Verhältnis zwischen den militärischen Vorgesetzten der Gendarmerie und den Zivilbehörden steigerte sich in einzelnen Fällen bis zum offenen Haß, wenn einzelne Beamte auf Umwegen erfuhren, daß sie irgendeine Maßregelung der ungünstigen Relation eines Gendarmerie-Funktionärs zu verdanken hatten.
Allmählich übertrug sich diese Abneigung der höheren Beamtenschaft gegen die Gendarmerie auch nahezu auf die ganze Intelligenz des Bürgerstandes und schließlich kam es soweit, daß man selbst in Armeekreisen der Gendarmerie mit Mißtrauen begegnete.
Von eiserner Disziplin durchdrungen, war die Gendarmerie gewöhnt, jedem Befehle kritiklos zu entsprechen. Das Korps als solches war daher für die Auswirkungen, die sich aus seiner mißbräuchlichen Verwendung ergaben, nicht zur Verantwortung zu ziehen. Diese Auswirkungen waren aber nun einmal da und trugen in der Folge ihre für das Korps so nachteiligen Früchte, trotzdem höhere einsichtige Gendarmerie-Offiziere mit Besorgnis die Entwicklung sahen und mit richtigem Blicke erkannten, daß sich ein Mißbrauch der Gendarmerie für politische Zwecke rächen müsse.
Die nachteiligen Folgen, die diese Entwicklung zeitigte, stellten sich auch bald ein.
Rückschlag in der Entwicklung der Gendarmerie
Die Niederlage Österreichs im Jahre 1859 im Kriege gegen das mit Frankreich verbündete Piemont hatte den Zusammenbruch des absolutistischen Systems in Österreich zur Folge. In Österreich gelangten nunmehr im Rahmen einer liberalen Regierung jene Kreise zu Einfluß, gegen die die Gendarmerie seinerzeit so oft mißbräuchlich verwendet wurde.
Was nun folgte, war eine Kette von Verfügungen mit dem Ziele, das Gendarmerie-Korps zu vernichten.
Der Stand der Gendarmerie an Offizieren und Mannschaften wurde nahezu auf die Hälfte vermindert und die vielseitige Dienstesverwendung der Gendarmen wurde in einem solchen Maße eingeengt, daß von ihr praktisch nur ein Boten- und Zustelldienst für die Behörden übrig blieb. Ganz besonders behindert wurde der von den Gendamerieposten zu versehende Patrouillendienst durch die Anordnung, daß dieser Dienst von den Leitern der Bezirkshauptmannschaft zu kommandieren sei. Auch den Bürgermeistern wurde eine gewisse Kontrolle eingeräumt. Durch eine Änderung in der Uniformierung der Gendarmerie tat man noch ein Übriges, um auch die äußere Erscheinung des Gendarmen gegenüber der früheren gefälligen und daher repräsentativen Adjustierung zum Nachteile des Korps und seines Ansehens zu verändern.
Die nachteiligen Folgen aller dieser Maßnahmen wirkten sich auf dem Gebiete der öffentlichen Sicherheitspflege verheerend aus. Die Gendarmen – auf die Hälfte ihres Standes zusammengeschmolzen – und ihrer eigentlichen Aufgabe entzogen, waren außerstande, auf dem flachen Lande die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit im wünschenswerten Umfange aufrecht zu erhalten. Der Sicherheitszustand hatte sich seit dem Jahre 1860 in raschem Tempo gewaltig verschlechtert. Diebstähle, räuberische Überfälle, Erpressungen und andere Delikte waren an der Tagesordnung. Das flache, von der Gendarmerie nahezu entblößte Land war von Landstreichern, Marodeuren und umherziehenden Vagabunden übersät. Abseits von der Straße gelegene Gehöfte wurden in dieser Zeit täglich von 20 bis 30 Landstreichern heimgesucht, die vielfach vor Erpressungen und Drohungen nicht zurückscheuten. Brandlegungen häuften sich in erschreckendem Maße. Diese beklagenswerten Zustände fanden in der Tatsache ihre Begründung, daß die Gendarmerie durch all die erwähnten einschränkenden Maßnahmen trotz aufopferndster Pflichterfüllung nicht mehr in der Lage war, die ihr zugewiesenen Überwachungsrayonen entsprechend häufig abzupatrouillieren. Manche Gebiete konnten von der Gendarmerie höchstens alle 14 Tage einmal abgestreift werden.
Immerhin muß hervorgehoben werden, daß selbst diese traurigste Entwicklung in der Geschichte des Korps reich war an zahlreichen bewundernswerten, aufopfernden Taten von einzelnen Gendarmen im Kampfe gegen Verbrecher und bei Hilfeleistungen bei Elementarereignissen.
Der Niedergang der Gendarmerie schuf auf dem Gebiete der öffentlichen Sicherheitspflege derart unleidliche Verhältnisse, daß der Ruf nach einer Reform der Gendarmerie so allgemein und dringend wurde, daß das Abgeordnetenhaus am 28. März 1868 eine Resolution über die Neuorganisation der Gendarmerie fasste, worauf sich das Herrenhaus in einer Sitzung am 7. Mai 1868 gleichfalls mit der Neuorganisation der Gendarmerie beschäftigte.
Noch aber war die Abneigung gegen die Gendarmerie in den liberalen Regierungskreisen so groß, daß die Ausarbeitung eines neuen Gendarmeriegesetzes vorerst unterblieb.
An die Spitze der Gendarmerie war mit 28. Dezember 1871 in der Person des zum Gendarmerieinspektor ernannten Obersten Heinrich Ritter Giesl von Gieslingen eine Persönlichkeit von hervorragender Intelligenz und Tatkraft getreten.
Dem Einfluss des Obersten Giesl und seinem engen Kontakte mit dem damaligen Landesverteidigungsminister Obersten [Julius Freiherr von] Horst war es zu danken, daß nach gründlicher Erforschung aller Notwendigkeiten trotz der Widerstände in den gesetzgebenden Körperschaften am 18. November 1875 ein neues Gendarmeriegesetz verabschiedet und am 26. Feber 1876 vom Kaiser sanktioniert wurde.
Die entwürdigende und dem öffentlichen Sicherheitsdienste abträgliche Verwendung der Gendarmerie zu untergeordneten Diensten wurde durch das Gendarmeriegesetz vom Jahre 1876 abgeschafft und das Korps damit wieder seiner eigentlichen Aufgabe, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit, zugeführt. Dem Nachwuchse der Gendarmerie und seiner Aus- und Weiterbildung wurde das besondere Augenmerk geschenkt und den Offizieren wieder jener Wirkungskreis eingeräumt, der zu einer Erfolg versprechenden Weiterentwicklung des Korps notwendig ist.
Die Gebühren wurden erhöht und die Mannschaft als pensionsberechtigt erklärt. Eine stufenweise Erhöhung der Stände war vorgesehen. So bildete das Gendarmeriegesetz vom Jahre 1876 samt der dazugehörigen Dienstinstruktion ein Fundament, auf welchem bei vorsichtigem und loyalem Ausbau ein solides, Dauer versprechendes Gebäude zustande gebracht werden konnte.
1876 – 1895
Unter der zielbewußten Leitung des F.M.L. Ritter Giesl von Gieslingen, dem das Korps zu ewigem Danke verpflichtet bleibt, trat die verjüngte Gendarmerie in die neue Epoche ihrer Entwicklung ein. An der Einrichtung der schon im Jahre 1872 am Sitze der Stadthalterei (heutige Landesregierungen) aufgestellten Landesgendarmeriekommanden sowie an deren Aufgliederung in Gendarmerieabteilungs-, Bezirks- und Postenkommanden wurde weiterhin festgehalten.
Das reorganisierte Korps bewährte sich in jeder Richtung und erwarb sich in kürzester Zeit das allgemeine Vertrauen aller Bevölkerungsschichten.
Die Rayone wurden infolge zahlreicher Neuerrichtungen von Posten so verkleinert, daß eine regelmäßige Abpatrouillierung derselben in angemessenen Zwischenräumen möglich war, die Postenkommandanten gingen nun mit aufopferungsvoller Hingabe mit ihren Gendarmen an die Bekämpfung des zu einer schweren Landplage gewordenen Vagabunden-, Landstreicher- und Bettlerunwesens.
Mit rastlosem Eifer erfolgte durch die Gendarmerieoffiziere und Bezirkswachtmeister auf den Inspektionstouren eine gründliche Einschulung der Gendarmen in den zu einer erfolgreichen Dienstausübung nötigen Vorschriften.
Die moralische Einwirkung der Vorgesetzten auf den Bereisungen im Vereine mit der strengen Kontrolle der Dienstestätigkeit, sowie die gründliche Unterweisung, die Probegendarmen und Chargenschüler erhielten, schufen den Typus des ausgezeichnet unterrichteten, von eisernem Pflichtgefühl beseelten, militärisch strammen, aber dabei humanen Gendarmen, der der Bevölkerung allgemeine Achtung abrang und der sich rasch das allgemeine Vertrauen erwarb.
Die politischen und die Gerichtsbehörden lernten bald den Wert einer vorzüglich ausgebildeten, von Diensteifer beseelten Gendarmerie erkennen und schätzen. Da auch die militärischen Vorgesetzten nicht mehr in die Verwaltungstätigkeit der Behörden eingriffen, bildete sich bald ein vorzügliches Einvernehmen zwischen den leitenden militärischen Dienststellen und den politischen Behörden heraus.
Die Standesverhältnisse entwickelten sich durchaus günstig. Von einem Stande von 100 Offizieren und ca. 5.600 Mann im Jahre 1876 war das Korps im Jahre 1895 auf einen Stand von 146 Offizieren und 9.303 Mann angewachsen, die sich auf 14 Landesgendarmeriekommanden, 100 Abteilungs-, 330 Bezirks- und 2.373 Postenkommanden, darunter 549 Einzelposten verteilten.
Im Jahre 1894 schied Se. Exzellenz geheimer Rat F.Z.M. Heinrich Giesl Freiherr von Gieslingen von der Stelle des Gendarmerieinspektors, die er zum Segen des Korps 22 Jahre bekleidet hatte.
1895 – 1914
Zum Nachfolger des Freiherrn von Giesl wurde der ihm seit geraumer Zeit als Adjutant zugeteilt gewesene Generalmajor Johann Edler von Horrak ernannt, der diesen Dienst am 26. November 1894 antrat. Das Gendarmeriegesetz vom Jahre 1876 hatte sich voll bewährt. Lediglich aus Gründen der Vereinfachung und der besseren Übersichtlichkeit halber wurde im Jahre 1894 ein neues Gendarmeriegesetz geschaffen, welches in dienstrechtlicher Hinsicht keine wesentlichen Abänderungen von jenen aus dem Jahre 1876 aufwies. Details der Organisation und des Gebührenwesens, die im alten Gendarmeriegesetze eingebaut waren, wurden nunmehr aus dem neuen Gendarmeriegesetze ausgeschieden und einer Sonderbehandlung im Verordnungswege unterworfen.
Das Jahr 1898 brachte eine Änderung der Adjustierung.
Im Jahre 1899 wurde nachstehende Adjustierung bei der Gendarmerie eingeführt. Dunkelgrüner, doppelreihiger Waffenrock mit nummerierten Geldknöpfen, ebensolche Bluse, dunkelgraue Pantalons, Offizierskappe und schwarzer Lederhelm mit goldenem Doppeladler. In Parade gelbe, wollene Brustschnüre.
Die Nachfolger des Freiherrn von Giesl der F.M.L. Johann Edler von Horrak, der vom 26. November 1894 bis 8. Oktober 1903 als Gendarmerieinspektor an der Spitze des Korps stand, ferner Generalmajor, später F.M.L. Josef Döller von Wolframsberg und F.M.L. Michael Tisljar von Lentulis waren bemüht, im Geiste ihres großes Vorgängers weiter an der Ausgestaltung des Korps zu arbeiten.
Die Tendenz dieser Epoche war durch das Streben gekennzeichnet, den immer mehr erhöhten Ansprüchen an die Gendarmerie nicht nur durch entsprechende Vermehrung der Dienststellen, sondern auch durch intensive theoretische und praktische Heranbildung des Nachwuchses an Gendarmen und Postenkommandanten gerecht zu werden. Auch der Aus- und Weiterbildung der Gendarmerieoffiziere wurde ein ganz besonderes Augenmerk zugewendet.
Im Jahre 1914 hatte die österreichische Gendarmerie einen Stand von 224 Oberoffizieren, darunter 31 Stabsoffiziere, 83 Rechnungsführern, 14.215 Mann, 14 Landesgendarmeriekommanden, 146 Abteilungs-, 14 Ergänzungsabteilungs-, 383 Bezirks- und 3.644 Postenkommanden aufzuweisen. Es hatte sich also gegenüber dem Stande vom Jahre 1876 nahezu verdreifacht.
Die österreichische Gendarmerie im Weltkriege 1914 – 1918
Der erste Weltkrieg stellte die Gendarmerie vor vielfach neue, unermessliche Aufgaben, denen sie sich jedoch in jeder Hinsicht gewachsen zeigte.
Was die Gendarmerie im Grenzschutze, in den Grenzkämpfen, unmittelbar an der Kampffront, im Feldgendarmerie- und Feldpolizeidienste und nicht zuletzt im Hinterlande während dieses Krieges geleistet hat, läßt sich auch nicht annähernd entsprechend würdigen.
Der enge Rahmen dieses Lehrbehelfes verbietet es, hier im Detail all die vielseitigen Verwendungen aufzuzählen denen die Gendarmerie in den 4 Jahren des ersten Weltkrieges gerecht werden mußte. Festgehalten muß jedoch die Tatsache werden, daß die österreichische Gendarmerie wo und wie immer sie eingesetzt wurde, für ihre aufopfernde Tätigkeit während des Krieges von Behörden, Armeekommanden, aber auch von der Bevölkerung vollste Anerkennung und höchstes Lob erntete.
Die erste Tapferkeitsauszeichnung, die innerhalb der österr.-ung. Wehrmacht im ersten Weltkriege verliehen wurde, zierte die Brust eines Gendarmerie-Offiziers, des Rittmeister Manowarda, der für erfolgreiche und tapfere Führung eines Gend.-Kontingentes in Galizien das Militär-Verdienstkreuz erhielt!
Die erste allgemein verlautbarte Anerkennung eines Armeeoberkommandos im ersten Weltkriege galt Österreichs Gendarmerie!
1918 – 1938
Als sich die ehrwürdige österr.-ung. Monarchie infolge der Bestrebungen ihrer Völker nach staatlicher Selbständigkeit in ihre völkischen Bestandteile auflöste, hätte man annehmen können, daß nun auch das letzte Stündlein für die Gendarmerie der Donaumonarchie geschlagen habe. Aber nein! Zu fest war das Gefüge dieses Korps, zu erfolgreich seine Tätigkeit im wechselvollen Laufe der Jahrzehnte und zu sehr war diese Institution bereits mit dem staatlichen Verwaltungsapparat verwoben, als daß der Zusammenbruch des staatlichen Rahmens auch ihr Ende bedeutet hätte.
Das Gefüge des großen Kaiserstaates brach wohl auseinander, aber in dem kleinen Nachfolgestaat verblieb sowohl in seiner Struktur als auch in seinem Wirkungskreise nahezu vollständig unverändert – das so vielseitig und langjährig erprobte Gendarmeriekorps.
Die Überleitung des Korps von einem rein militärischen in einen nach militärischem Muster organisierten Zivilwachkörper und eine mehr durch die wirtschaftlichen Verhältnisse notwendig gewordene Neuuniformierung waren mehr als äußerliche Merkmale in der weiteren Entwicklung der Gendarmerie in der jungen Republik Österreich zu werten. Die damalige weitsichtige und tolerante Staatsführung hatte aus früherer Zeit den Wert der Gendarmerie als unentbehrliches Hilfsmittel einer geordneten Verwaltung mit klarem Blicke erkannt und legte mit dem Gesetze vom 27.11.1918 – dem neuen Gendarmeriegesetze – das gesetzliche Fundament für die weitere Entwicklung des Gendarmeriekorps. Die organisatorischen Grundelemente des Gendarmeriegesetzes vom Jahre 1876 wurden in das neue Gendarmeriegesetz ziemlich unverändert übernommen.
Allen Gendarmerie-Angehörigen wurde der Beamtencharakter zuerkannt. An Stelle der Militärgerichte wurden für alle Gendarmeriebeamten die Zivilstrafgerichte zuständig. Für dienstliche Vergehen wurde ein Gend.-Disziplinarstrafrecht eingeführt. Die militärischen Chargenbezeichnungen wurden abgeschafft.
Da, wie schon erwähnt, das Gesetz vom 27.11.1918 an der Struktur des Korps und seinem Wirkungskreise gegenüber dem altbewährten Gesetze aus dem Jahre 1876 keine einschneidenden Änderungen platzgreifen ließ, hatte das Gendarmerie-Korps trotz des gigantischen Zusammenbruches im Jahre 1918 nach Überwindung weniger anfänglicher Schwierigkeiten bald seine alte Schlagkraft wieder erreicht. Allerorts wurde der Sicherheitsdienst im vollen Umfange wieder aufgenommen und die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Bezirkshauptmannschaften bedienten sich wie je zuvor der ihr seit jeher als unentbehrliches Verwaltungsinstrument vertrauten Gendarmerie. Aber auch aus eigenem Antriebe oblagen die Gendarmerieposten mit größtem Eifer dem Sicherheitsdienste innerhalb ihrer Überwachungsrayone und zahllos sind die Erfolge, die die Gendarmerie, insbesondere in den ersten Jahren nach dem Weltkriege, die begreiflicherweise eine erhöhte Kriminalität aufzuweisen hatten, oft unter Einsatz schmerzlicher Opfer tätigte.
Von den eigenen Vorgesetzten in den bewährten Probegendarm- und Fachschulen bestens vorgeschult und unter Leitung vorzüglicher Vorgesetzter am Posten und gelegentlich der Visitierungen weitergebildet, mit den Behörden aufs engste zusammenarbeitend, hat die Gendarmerie in wenigen Jahren auf dem flachen Lande völlig normale Sicherheits- und Verwaltungsverhältnisse hergestellt.
Als das Korps im Juni des Jahres 1924 die Feier seines 75. Jubiläums in allen Bundesländern beging, da wurde ihm aus berufendstem Munde höchstes Lob und vollste Anerkennung zuteil.
Aus der Festrede des damaligen Bundeskanzlers Dr. Ignaz Seipel sei nur der Schlußsatz herausgegriffen und hier festgehalten. Er lautet:
„Wir aber, die wir in dieser Stunde das Volk zu führen haben, werden nicht vergessen, was Sie alles geleistet haben, und wir werden dafür sorgen, daß auch das österreichische Volk seiner wunderschönen, seiner ausgezeichneten Gendarmerie niemals vergißt!“
Wollte man versuchen, die weitere Entwicklung der Gendarmerie in den folgenden Jahren graphisch darzustellen, so würde sich das Bild einer allmählich, aber konsequent ansteigenden Kurve ergeben.
Zuerst schien es, als sollte infolge schwerer innerpolitischer Erschütterungen der Gendarmerie eine gedeihliche Entwicklung versagt bleiben. Die Landnahme des laut Friedensvertrag Österreich zugesprochenen Burgenlandes im Jahre 1921, dessen Rückgabe nur nach Überwindung bewaffneten Bandenwiderstandes möglich war, könnte als erstes hemmendes Moment in dieser Richtung gewertet werden. Auch in den folgenden Jahren schlugen die Wogen der inneren Gegensätze manchmal gewaltig hoch und mehr als einmal waren Gendarmeriekonzentrierungen, wie jene in Wienerneustadt im Jahre 1928, in der Stärke von mehreren Regimentern notwendig. Die Jahre 1927 und 1934 sind und bleiben nicht nur schwarze Tage in Österreichs Geschichte, sondern auch in jener der Gendarmerie. Im Strudel der bewaffneten politischen Konflikte mußte die Gendarmerie ihre schwere, beschworene Pflicht erfüllen und dabei beachtliche Blutopfer bringen.
Trotz dieser oft bis zur Unerträglichkeit gesteigerten Intensivierung des Sicherheitsdienstes aber nahm die Weiterentwicklung des Korps mit dynamischer Beständigkeit ihren Fortgang. Mochten die verschiedenen politischen Spannungen auch noch so hohe Anforderungen an das Korps gestellt haben – es wurde ihnen nicht nur immer gerecht – sondern sie konnten auch seine Weiterentfaltung nicht hindern, ja trugen vielleicht sogar in manchen Belangen zur Beschleunigung des Ausbaues der Gendarmerie bei.
Vorerst sei erwähnt, daß im Jahre 1924 an Stelle der aus Khakistoff angefertigten Uniform eine solche aus eisengrauem Tuche trat. Am Schnitt der Uniform trat keine wesentliche Änderung ein.
Ab 1934 wurde für außerdienstliche Zwecke für alle Gendarmeriebeamten die alte österreichische schwarze Offizierskappe, für leitende Gendarmeriebeamte (ab 1934 Gendarmerieoffiziere) allgemein die graue österreichische Offizierskappe eingeführt. Für Paradezwecke war das Tragen des alten doppelreihigen Gendarmeriewaffenrockes aus flaschengrünem Tuche gestattet.
Im Jahre 1935 wurde für ausgesprochenen Kampfeinsatz der Stahlhelm für die österreichische Bundesgendarmerie eingeführt.
Ganz besonders bemerkenswert ist die technische Vervollkommnung des Korps.
So wurde im Ablaufe weniger Jahre das Telefonnetz innerhalb der Gendarmerie so verdichtet, daß auch die abgelegenste Gendarmeriedienststelle mit Fernsprecher zu erreichen war. Gleichlaufend mit der Verdichtung des Telefonnetzes wurde mit Nachdruck die Aktivierung des Gend.-Funks betrieben, dergestalt, daß am Sitze eines jeden Gend.-Bezirkskommandos eine Gendarmeriefunkstation errichtet wurde. Für gewisse Spezialverwendungen wurden zwei große Gendarmeriebrieftaubenstationen in Wien und Bruck a. d. Mur eingerichtet.
War auf diese Weise für eine jeder möglichen Situation rechnungtragende Verbindung innerhalb der Gendarmeriedienststellen des ganzen Bundesgebietes Vorsorge getroffen worden, so wurde nunmehr seitens der obersten Führung der Gendarmerie in nimmermüder Arbeit die Motorisierung der Gendarmerie in Angriff genommen um auch den gesteigerten Verkehrsbedürfnissen und der fortschreitenden Motorisierung des Straßenverkehres im notwendigen Umfange Rechnung zu tragen. In verhältnismäßig kurzer Zeit wurden alle Bezirksgendarmeriekommanden mit erstklassigen Beiwagenmaschinen meist heimischer Erzeugung beteilt, am Sitze eines jeden Gendarmerieabteilungskommandos wurde überdies je ein Schnellastwagen, der gleichzeitig auch zum Personentransport eingerichtet war und mit einem schweren Maschinengewehr armiert werden konnte, stationiert, und am Sitze eines jeden Landesgendarmeriekommandos wurden nebst der notwendigen Zahl an Personen- und Lastkraftwagen auch je nach der Größe des Landesgendarmierkommandos ein bis drei Straßenpanzerwagen in den Dienst gestellt.
Auch der Verbesserung der Bewaffnung wurde insoferne Rechnung getragen, als an Stelle der Kipplaufpistole Muster Steyer Kal. 7.67 die noch aus dem ersten Weltkriege als besonders verläßlich bekannte Pistole Muster Steyer Kal. 9 mm zur Einführung gelangte. Überdies erhielten alle stärkeren und wichtigeren Gendarmerieposten schwere Maschinengewehre, Maschinenpistolen, Handgranaten und Reizgasmittel zugewiesen.
Der Forderung nach einer intensiveren Ausbildung in der Handhabung der Feuerwaffen wurde insoferne Rechnung getragen, als jeder Abteilungskommandant die Gendarmen seines Dienstbereiches gelegentlich der Postenvisitierungen zum Zwecke eines intensiven Schießunterrichtes an einem geeigneten Ort zusammenzog. Für die Gendarmerieoffiziere, die fallweise auch zu den Manövern des Bundesheeres kommandiert wurden, fanden Speziallehrgänge in der Heeresschießschule Bruck a.d. Leitha über Schieß- und Waffenwesen statt.
Das Schul- und Ausbildungswesen wurde insoferne ebenfalls auf ganz neue Grundlagen gestellt, als innerhalb der Landesgendarmeriekommandobereiche nur mehr die provisorischen Gendarmen ausgebildet wurden. Die Chargenschule, Ausforschungs-, Lichtbildner- und Funkerkurse sowie die Heranbildung der künftigen Gendarmerieoffiziere wurde in einer modernst eingerichteten Gendarmeriezentralschule in Mödling bewerkstelligt.
1938 – 1945
Es wurde an dieser Stelle schon einmal betont, daß, vielfältigen Widerwärtigkeiten zum Trotz, Dank der zielbewußten Arbeit aller an der Führung der Gendarmerie beteiligten Stellen, das Korps in langsamen aber stetigem Aufwärtsschreiten in fachlicher und materieller Beziehung einen Höchststand erreichte, der es ihm gestattete, jeden Vergleich mit ähnlichen Organisationen in anderen europäischen Ländern auszuhalten. Noch ist der zeitliche Abstand zu gering, um diese Zeitepoche unter die kritische Lupe der Geschichtsschreibung nehmen zu können. Dies würde auch den Rahmen dieses anspruchslosen Lehrbehelfes weit übersteigen.
Festgehalten darf aber schon heute werden, dass die österreichische Gendarmerie auch nach der Anektion Österreichs durch das Deutsche Reich die weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannte Musterinstitution blieb und daß auch seitens objektiver fachlicher Autoritäten des Reiches ihre überragende Qualität voll anerkannt werden müßte. Wenn ihre Organisation dennoch zum Teile reichsdeutschen Polizeiorganisation angeglichen wurde, dann geschah dies nicht, um an ihre Stelle etwas Besseres zu setzen, sondern aus reinen Prestigegründen.
Durch eine jeder Gerechtigkeit hohnsprechende sogenannte Säuberungsaktion wurden zahlreiche, nach nationalsozialistischen Begriffen nicht verlässliche Offiziere und Gendarmen teils in Anhaltelagern interniert, teils entlassen oder pensioniert. Vielen Gendarmen wurde aus fadenscheinigen Gründen der Prozess gemacht. Zahlreich waren die Selbstmorde. Großes Elend herrschte in den Familien der Gemaßregelten.
Die eingeteilten Gendarmen erhielten militärische Chargenbezeichnungen analog wie bei der Deutschen Gendarmerie, die Gendarmeriebezirksinspektoren bekamen Offizierstitel, die Gebühren wurden, sehr zum Schaden der Gendarmerieangehörigen dem reichsdeutschen Besoldungsschema für Polizeibeamte angeglichen, und erwiesen sich in der Folge als weitaus geringer als die österreichischen Dienstbezüge. Die Benennung der Dienststellen wurde den reichsdeutschen Dienststellenbezeichnungen angepasst, der Unterricht sehr vernachlässigt, die fachlichen Forderungen an den Einzelnen zur Erreichung höherer Dienstgrade wesentlich herabgemindert.
Der Eintritt Deutschlands und damit Österreichs in den unglückseligen zweiten Weltkrieg brachte auch für die österreichische Gendarmerie tief schürfende Veränderungen.
Zunächst wurde nahezu die gesamte technische Ausrüstung der österreichischen Gendarmerie, also Panzerwagen, Funkstationen, Motorfahrzeuge, Sanitätsmaterial, etc. für Kriegs- und Besatzungszwecke herangezogen. Die österr. Gendarmen wurden als Feldgendarmen und Organe der Zivilverwaltung nahezu in alle Länder Europas verstreut. Den Dienst in der Heimat versahen größtenteils Hilfsgendarmen unter dem Kommando einsatzunfähiger Gendarmeriebeamten.
Zur Ehre des österreichischen Gendarmeriekorps aber darf hier festgehalten werden:
Der österreichische Gendarm hat sich in all den wechselvollen Jahren des zweiten Weltkrieges Dank seiner hervorragenden Ausbildung in allen Phasen kriegsmäßiger Verwendung als das erwiesen, was er stets war. Der fachlich bestens geschulte, in jeder Situation verwendbare und stets objektiv und human handelnde Hüter von Recht und Gesetz.
Als der unvermeidliche Zusammenbruch des Deutschen Reiches erfolgte und durch die Besetzung Kärntens durch britische Streitkräfte der erste Schritt auf dem Wege zur Selbständigkeit Österreichs getan wurde, da stand die österreichische Gendarmerie Kärntens zum zweiten Male innerhalb von 27 Jahren vor der Notwendigkeit, aus den Trümmern eines verlorenen Krieges zum Neuaufbau zu schreiten.
Und mit unverdrossenem Mute und einem wahren Feuereifer schritten Offiziere und Gendarmen mit ungebrochener Zuversicht daran, unter dem Schutze der britischen Besatzungsmacht und in vielen Belangen von dieser tatkräftigst unterstützt, die Reihen zu schließen und das Korps auf den Grundlagen des Gendarmeriegesetzes vom Jahre 1918 wieder aufzubauen.
Heute, da dieser Lehrbehelf geschrieben wird – kaum 16 Wochen nach einem Zusammenbruch von Ausmaßen, wie sie die Weltgeschichte noch nie erlebte – steht Kärntens Gendarmerie schon wieder neu organisiert mit ausreichenden technischen Hilfsmitteln versehen und vor allem geschlossen und zuversichtlich bereit, ihr Bestes zum Wiederaufbau ihrer Heimat einzusetzen. Einen überzeugenderen Beweis für die Dauerhaftigkeit und die Güte einer Organisation kann es gar nicht mehr geben. Jede andere Körperschaft hätte an den überwältigenden Problemen des Umbruchs scheitern müssen!
„Kärntens und damit Österreichs Gendarmerie aber steht!“
Um die Geschichte der Gendarmerie vollständig darstellen zu können, ist der nachfolgende Abschnitt um den Text von Gerald Hesztera, wie er auf der Website der Landespolizeidirektion Wien veröffentlicht ist, übernommen worden.
Nachkriegsjahre
Bedingt durch einen der letzten Befehle des Nazi-Regimes hatten sich die in Österreich befindlichen Gendarmen vor der Roten Armee zurückzuziehen, so dass in den ersten Tagen nach dem Krieg keine oder nur wenige Gendarmen für den Sicherheitsdienst zur Verfügung standen. Die Übergriffe der Roten Armee erschwerten die Arbeit der Gendarmerie. Trotzdem gelang es den Gendarmen in erstaunlich kurzer Zeit wenigstens ein Mindestmaß an staatlicher Ordnung zu gewährleisten.
Mit dem Behördenüberleitungsgesetz wurde 1945 beim Staatsamt für Inneres das Gendarmeriezentralkommando errichtet und Gendarmeriemajor Emanuel Stillfried zum Zentralkommandanten bestellt. Stillfried war einer der ersten Gendarmerieoffiziere, die von den Nazis verhaftet und in ein KZ verschleppt worden waren. Der Wiederaufbau der Gendarmerie erfolgte im Wesentlichen nach den vor 1938 geltenden Vorschriften.
Da die Gendarmerie die einzige bewaffnete Macht war, die der Republik zur Verfügung stand, musste sie auch Aufgaben übernehmen, die nicht in ihre Kompetenz fielen. Um die Grenzen Österreichs zu sichern, wurde im Jahr 1946 die Grenzgendarmerie aufgestellt, die bis zum Jahre 1955 bestand.
Die Schlagkraft der Gendarmerie bewährte sich während der Unruhen im Oktober 1950. Die konsequent antikommunistische Haltung der Bewohner und der Einsatz der Sicherheitskräfte trugen dazu bei, einen befürchteten kommunistischen Umsturz zu verhindern. Im selben Jahr wurde im Rahmen der Bundesgendarmerie der Vorläufer des heutigen Bundesheeres gegründet, die B-Gendarmerie. Diese Einheit setzte sich zum Großteil aus erfahrenen Offizieren und dienstführenden Beamten der Gendarmerie zusammen, die mit neu aufgenommenen Probegendarmen militärischen Dienst verrichteten.
Gendarmerie 1955 bis 2005
Das Ende der Besatzungszeit, die friedlichen Verhältnisse in Österreich und der wachsende Wohlstand, gaben der Gendarmerie die Gelegenheit zu einer konstanten Weiterentwicklung. Bis zum Jahr 1964 gelang es, die Vollmotorisierung der Gendarmerie durchzuführen. Die Dienstverhältnisse für die Beamten wurden entscheidend verbessert. Schrittweise wurde die Dienstzeit auf ein mit der übrigen Wirtschaft vergleichbares Maß herabgesetzt und die Besoldung verbessert.
1993 wurde das Dienstsystem der Gendarmerie umgestaltet und auf moderne Erfordernisse ausgerichtet. Ineffiziente Strukturen wurden beseitigt und die Präsenz der Gendarmerie im Außendienst erhöht. Durch diese Maßnahmen konnte der Anstieg der Kriminalität gestoppt werden. Im Rahmen des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union und den Schengen-Verträgen wurde die „Grenzgendarmerie“ aufgestellt, die den Schutz der EU-Außengrenzen gewährleistet.
Im Jahr 1999 feierte die Gendarmerie ihren 150. Geburtstag. Die Bundesgendarmerie hatte damals einen Personalstand von fast 16.000 Bediensteten. Diese waren für die Sicherheit von mehr als zwei Drittel aller Österreicher auf 98 Prozent des Staatsgebiets zuständig.
Mit der Zusammenführung der Sicherheitswache, der Bundesgendarmerie und des Kriminaldienstes sowie Teilen der ehemaligen Zollwache zum neuen österreichweit einheitlichen Wachkörper „Bundespolizei“ am 1. Juli 2005 endete die 156-jährige Geschichte der Gendarmerie in Österreich.
Quellen:
- Geschichte der Gendarmerie, Lehrbehelf, 1945, Posten Krumpendorf
- Gerald Hesztera: Geschichte der Gendarmerie, LPD Wien, https://www.polizei.gv.at/wien/publikationen/geschichte/gendarmerie.aspx