Die meisten Teile Österreichs waren von den Alliierten längst besetzt. In Krumpendorf mussten noch ein paar Buben und alte Männer ausrücken, um einen Graben, der nicht tiefer als zwanzig Zentimeter wurde, gegen die erwarteten Panzer in die Erde zu kratzen. Die Mütter befahlen ihren Söhnen, umgehend nach Hause zu laufen und alles liegen und stehen zu lassen, sobald sie Motorenlärm oder gar Schüsse hören würden.
Es war ein wunderschöner Tag, mit allem, was der Wörthersee an friedlicher Idylle, einschließlich der stolzen Karawanken im Hintergrund, zu bieten hat. Ich stand allein auf dem Balkon und schaute auf die damals sehr schmale Straße, die nach Pörtschach führte. Sie wirkte wie ein graues, ödes Band in der grünen Landschaft und war absolut leer. Doch schlagartig änderte sich das Bild. Lastwagen und Panzer rollten unerwartet um die Kurve. Ein nicht enden wollender Wurm von grauen Fahrzeugen! Es war gespenstisch, und ich verstand nicht, was es zu bedeuten hatte. Ich war wie gelähmt und brauchte einige Zeit, bis ich fähig war, meine Großmutter zu holen.
„Sie sind da, es ist aus, der Tommi ist da!“, hörte ich rufen. Alle liefen auf den Balkon, fielen sich um den Hals und weinten. Ob sie aus Glück oder Unglück weinten, wusste ich nicht. Aber wenn ich mir die tränenvollen Gesichter und Augen aus meiner Erinnerung hervorhole, wird es Glück wohl nicht gewesen sein.
Dann standen auf der Wiese neben unserem Garten und in unserem Garten Zelte und überall waren plötzlich englische Soldaten. Sie suchten Kontakt mit uns und wirkten etwas scheu. Es schien, als würden sie unter den Verständigungsschwierigkeiten leiden. Ich hörte Erwachsene, die zufrieden waren, dass diese Soldaten zum Afrikacorps gehört und gegen Rommel gekämpft hatten. „Echte Soldaten, dort hat man fair gekämpft.“
In Büchern, die ich später gelesen habe, wurden Eroberungen oder Besetzungen eines Landes immer ganz anders beschrieben als jene, die ich als Kind selbst erlebt habe. Dieses Zusammentreffen zwischen Siegern und Besiegten war eher zaghaft. Die Sieger waren bemüht, sympathisch zu wirken. Manche Einheimischen haben sich verkrochen, weil sie die Realität des Endes einer Epoche nicht wahr haben wollten. Niemand jedoch leistete Widerstand.
Direkt neben unserem Haus waren in mehreren Zelten Südafrikaner untergebracht, die deutsch sprachen. Sie sind nicht lange geblieben, aber sie waren häufig bei uns zum Essen und brachten Schokolade, Konserven und Getränke mit. Meine Schwester und ich wurden beschenkt. Meine Mutter war erstaunt, weil sie vom besiegten Deutschland schwärmten und ihr gegenüber behaupteten, sie hätten lieber auf der anderen Seite gekämpft.
In meiner Erinnerung waren es sonnige, aufregende Tage. Wir hatten mit den neuen Nachbarn viel zu tun und lernten rasch ein bisschen Englisch. Das tägliche Erweitern meines Sprachschatzes bereitete mir großen Spaß. Ein englischer Offizier namens Stan hat meine Mutter sehr verehrt. Er verbrachte, um in ihrer Nähe sein zu können, täglich einige Zeit mit mir beim gegenseitigen Sprachunterricht. Wir versuchten stundenlang, uns gegenseitig viele Worte der jeweils anderen Sprache beizubringen. Stan, den meine ganze Familie gerne mochte, musste bald weg und wir haben nie mehr von ihm gehört. Mit anderen, auch den Südafrikanern, haben meine Eltern jahrelang korrespondiert.
Volksschule im letzten Kriegsjahr
Einmarsch der englischen Armee
Partisanen und englische Soldaten
Unser Geoffe
Die Wiederkehr von Geoffe
Die englischen Kinder