Auch in unserem Haus wurde ein englischer Soldat einquartiert. Geoffe Wood war Chauffeur bei der Armee und verfügte daher über ein Auto. Sein Austin war für längere Zeit der einzige Privatwagen im ganzen Ort. Aus meiner Sicht war es einfach „unser“ Auto. Damit hatte ich nicht so unrecht, denn Geoffe wurde bald, wenn er außer Dienst war, unser Privatchauffeur. In unserer ohnehin schon übervölkerten Villa wurde es durch die Integration des Engländers noch etwas enger.
Ich kann mich an seine ersten Tage in unserer Gemeinschaft nicht erinnern. In meiner Erinnerung ist er als nahezu vollwertiges Familienmitglied ab einem unbestimmten Zeitpunkt einfach da. Er blieb uns viele Jahre, bis zum endgültigen Abzug der Alliierten, erhalten. Geoffe versorgte uns nicht nur mit allem, was es damals normalerweise nicht gab, sondern nahm schon sehr bald an allen familiären Ereignissen als von niemandem in Frage gestelltem Mitglied teil. Kein Geburtstag, keine Ostern oder Weihnachten ohne Geoffe! Er teilte unsere Dauerkabine im Bad und beteiligte sich, dies allerdings oft zum Ärger meiner Großmutter, auch an der Erziehung von uns Kindern. Die sprachliche Kommunikation funktionierte von Anfang an. Für mich war Geoffe ein Glücksfall, denn ich lernte fließend Englisch, und als ich ins Gymnasium kam, beherrschte ich diese Sprache besser als unser Professor. Allerdings hatte ich mir den Akzent der Gegend von Manchester angewöhnt, was meinen Professor zu ärgern schien.
Geoffe stammte aus einem kleinen Ort namens Duckingfield in der Nähe von Manchester und besaß dort eine kleine Hühnerfarm. Dieser berufliche Hintergrund war für meine Eltern, die sich nach dem Krieg aus existentiellen Gründen gezwungen sahen, Hühner zu halten, eine große Hilfe. Geoffe sprach schon nach etwa einem Jahr, sehr zur Freude der Ortsbewohner, ein völlig grammatikloses, aber wortreiches Kärntnerisch. Was anderen prominenteren Zugewanderten nie gelungen ist, gelang Geoffe spielend – die Tonart und den Klang der kärntnerischen Sprache zu beherrschen.
Im Dorf war Geoffe beliebt. Kein Mensch betrachtete ihn als Besatzungssoldaten, er gehörte einfach zu unserer Familie. Ich habe seine Anwesenheit als selbstverständlich betrachtet. Später haben mir die Eltern bestätigt, das s sie mit ihm eine tiefe und nachhaltige Freundschaft verbunden hat.
Volksschule im letzten Kriegsjahr
Einmarsch der englischen Armee
Partisanen und englische Soldaten
Unser Geoffe
Die Wiederkehr von Geoffe
Die englischen Kinder