(*15.3.1854, +26.5.1929)
Als Krumpendorf in den 1890er Jahren touristisch noch im Dornröschenschlaf lag, war es Max Schindler von Kunewald aus Wien, der den Ort erwecken und mit seinem Vergnügungskomitee für niveauvolle Darbietungen und Unterhaltungen sorgen sollte.
Die Familie
Der Stammsitz der Familie Schindler von Kunewald war das Schloss Kunewald (Kunín im Norden Tschechiens), das heute zu den wertvollsten Barockschlössern in ganz Nordmähren und Schlesien gehört. Die Gräfin Maria Walburga von Waldburg-Zeil (1762-1828) gründete in ihrem Schloss nach deutschem Vorbild eine Bildungs- und Erziehungsanstalt – das Philantropium (1792-1814), das einen hervorragenden Ruf genoss. Hier herrschten Toleranz und hier studierten Kinder aller Klassen. Impulse für das Philantropium hatte sie auch auf einer Reise in die Schweiz erhalten, wo sie Pestalozzi kennen lernte.
Zum Ende ihres Lebens zog die Gräfin den Sohn ihres Sekretärs, den kleinen Friedrich Emil Schindler zu ihrem Nachfolger heran, adoptierte ihn und vererbte ihm das Schloss Kunewald.
Friedrich Emil führte das Werk seiner Gönnerin fort und machte sich durch humanitäres Handeln derart verdient, dass er von Kaiser Franz Josef 1859 in den Adelsstand erhoben wurde.
Friedrich Emil hatte mit seiner Frau Ernestine sechs Kinder, von denen das jüngste Max hieß. Max wurde Architekt und spielte später eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Fremdenverkehrs in Krumpendorf. 1870 drei Jahre nach dem Tod Friedrich Emils verkaufte die Familie das Schloss Kunewald und übersiedelte ganz nach Wien, wo man schon vorher die Winter verbracht hatte.
Villa Schindler
Am östlichen Ortseingang von Krumpendorf gab es eine Gruppe kleinerer bäuerlicher Anwesen unter denen der Mesier-Hof der größte war. Martin Wakonig, der die Hube zuletzt bewirtschaftete, war so hoch verschuldet, dass es 1866 zur Versteigerung kam. Der Hof wechselte in den folgenden Jahren mehrmals den Besitzer, bis am 21. Oktober 1883 Ernestine Schindler von Kunewald das Anwesen mit der Adresse Srallach 9 erwarb. Noch unter dem Vorbesitzer Steinhart war das bäuerliche Gebäude 1878 zur Villa ausgebaut worden. Zehn Jahre später kaufte Ernestine Schindler eine Seeparzelle dazu, auf der sie eine Boots- und Badehütte errichten ließ. Nach ihrem Tod am 27. September 1905 ging das Anwesen samt dem Wörthersee-Grundstück an ihren Sohn Max Schindler von Kunewald über. 1929 erbte dessen Sohn Max den Besitz. Dieser vergrößerte das Anwesen, indem er 1936 von Frau Rosa Velat aus Triest, der damaligen Besitzerin der Bahnhofsrestauration (heute Kärntnerhof), das angrenzende Grundstücke erwarb.
Max Schindler (1854-1929)
Max Schindler von Kunewald kam am 15.3.1854 als sechstes Kind von Friedrich Emil und Ernestine Schindler zur Welt. Der junge Schindler besuchte die Schule in Kunewald. Er maturierte in Wien und studierte anschließend Architektur. Er war als freischaffender Architekt tätig und wirkte an Planung und Bau der Votivkirche in Wien mit.
Nachdem seine Mutter Ernestine die Villa gekauft hatte, verbrachte die Familie die Sommer regelmäßig in Krumpendorf.
Das obige Foto zeigt die Kutsche der Familie Schindler von Kunewald vor dem Stadl des Gasthofes zur „Alten Post“ an der Hauptstraße. In der Kutsche sitzen Anna Schindler mit ihrem kleinen Sohn Max. Vorne steht der Kutscher Franz Peterselka mit dem Familienhund Sali. Aufgenommen hat das Foto Max Schindler von Kunewald ca. 1888.
Die Anfänge des Fremdenverkehrs
Krumpendorf hinkte, was den Fremdenverkehr betraf, den bekannteren Orten Pörtschach und Velden hinterher. Es fehlte an komfortablen Unterkünften, aber auch an Unterhaltung für die Gäste. In der Diskussion über ein Unterhaltungsangebot herrschte größtenteils die konservative Ansicht vor, dass es nicht nötig sei, ja geradezu schädlich, für Zerstreuungen zu sorgen, denn »d’Leut woll’n a Ruah habn« und »d’Musi vertreibt uns nur d’Leut«.
Das Vergnügungskomitee
Diesen Mangel an Unterhaltungsangeboten erkannte Max Schindler, der selbst Sommergast im Ort war. Er begann ab ca. 1890 Abendunterhaltungen zu veranstalten. Das Vergnügungskomitee wurde ins Leben gerufen. Dieses hatte sich zur Aufgabe gemacht, für Vergnügungen zu sorgen und dem Gast angenehme Unterhaltung während seines Aufenthalts in Krumpendorf zu bieten. Da galt es, sich mit den Komitees der anderen Orte am Wörthersee programmmäßig abzustimmen. Veranstaltungsort der künstlerischen Darbietungen war die Bahnhofsrestauration beim Sontag (Pächter), die Akteure waren in der Regel selbst Sommergäste. Die Unterhaltungsabende waren von Sommergästen für Sommergäste gemacht und bewegten sich auf einem beachtlichen Niveau.
Sommer 1897
Am 6. Juli 1897 traf Max Schindler mit Frau und Sohn aus Wien ein. Das Veranstaltungsangebot war in diesem Sommer beachtlich. Besonders erwähnt sei der August. Nach dem Unterhaltungsabend am 7. übergab das Vergnügungskomitee der Schulleitung 77fl. (Gulden) 28kr. (Kreuzer) für die Erbauung einer Wasserleitung zur Schule (Franz-Josefs-Wasserleitung). Am 8. fand ein Feuerwehrkränzchen statt, das einen schönen Reinertrag einbrachte. Am 18., dem Geburtstag des Kaisers, feierte man unter Pöllerdonner eine Messe in Pirk und auch in Krumpendorf, an der die hier weilenden Offiziere und Kurgäste teilnahmen. Am 19. veranstaltete die Feuerwehr zu Ehren Sr. Majestät einen sehr gelungenen Fackelzug. Am 22. wurde anlässlich der Regatta vom Vergnügungskomitee unter Leitung von Max von Schindler eine Parodie auf Schillers Taucher aufgeführt. „Ein prächtig geschmücktes Holzschiff fungierte als Bühne, die Schauspieler waren in lustige Kostüme gekleidet. Die Darstellung wurde als sehr gelungen bezeichnet und bot sehr erheiternde Momente, so dass das Publikum nicht aus dem Lachen kam.“
Max Schindler war den Gästen und den Krumpendorfern ein Begriff geworden und so wurde eine große Feier für ihn veranstaltet. Die Cur-Zeitung berichtete folgendes: „Am Donnerstag, den 26. wurde dem allgemein beliebten und unermüdlichen Herrn Max v. Schindler in Anerkennung seiner Verdienste um das gesellige Leben Krumpendorfs, von dem Curpublicum ein Fackelzug, an dem sich auch die Ruderclubs »Nautilus« und »Albatros« betheiligten, gebracht. Ein nicht enden wollender Zug, eröffnet durch die Veldener Musikcapelle, bewegte sich vom Schloss gegen den Bahnhof, woselbst Herr v. Schindler feierlich abgeholt und dann zu einer festlich geschmückten Eiche in der Nähe der Krumpendorfer Schwimmschule geführt wurde. Herr P. Cerny pries die Verdienste Herrn Schindlers in wohlgesetzter Rede, brachte ein dreimaliges »Heil« auf ihn aus, in welches die Festtheilnehmer begeistert einstimmten, und weihte die mächtige Eiche unter Erglühen griechischen Feuers dem Andenken des Herrn Schindler, indem er den mächtigen, deutschen Baum »Max Schindlers-Eiche« taufte. Sichtlich gerührt dankte Herr Schindler für die ihm dargebrachte Ovation. Nach mehreren launigen Reden bewegte sich der imposante Zug zur [Bahnhofs-]Restauration zurück, woselbst die schöne, echt deutsche Feier durch ein improvisiertes Tänzchen erst in später Nacht zum Abschluss fand.“
Max Schindler hatte ein beachtliches Talent sowohl organisatorisch wie auch künstlerisch. Er war Dichter, Arrangeur und Regisseur. Von ihm stammen nicht nur Umdichtungen wie Schillers Taucher, sondern er verfasste u.a. auch das Libretto zur Oper in zwei Akten „Der verwandelte Wille“, deren Musik Edwin Komauer schrieb. Die Oper wurde am 13. August 1898 im vollbesetzten Saal der Bahnhofsrestauration mit großem Erfolg aufgeführt. Max Schindler entpuppte sich auch als hervorragender Bühnenmaler. Er stellte die Dekoration für die beiden Akte selbst her (siehe Foto weiter unten mit Anton Adametz als Ritter Kurt).
Anton Adametz
Wer war „Toni“ Adametz, der regelmäßig bei den Unterhaltungsabenden auftrat und der mit seinem Bruder zum engeren Freundeskreis der Familie Schindler gehörte?
Anton Adametz (*23.4.1877) stammte aus Wien. Er besuchte wie sein älterer Bruder August (*3.9.1874) das Gymnasium in Kalksburg im Süden Wiens, das vom Jesuitenorden geführt wurde. Es galt als Eliteschule der Monarchie. Später studierte er an der Universität Wien und promovierte vermutlich an der juridischen Fakultät. Als Beruf steht in seinem Reisepass Postsekretär.
Die Mutter, Emma (geb. Friedlowsky), war mit dem Stadtbaumeister Adametz verheiratet. Sie war Opernsängerin und debütierte im Thaliatheater in Wien als Elisabeth in der Wagner-Oper Tannhäuser. Es ist anzunehmen, dass sie die gesangliche Ausbildung ihrer Söhne selbst übernommen hatte.
August Adametz kaufte in Krumpendorf ein Seegrundstück, das für die Familie fester Bezugspunkt im Sommer wurde. Beide Brüder hatten das Talent ihrer Mutter geerbt. Sie waren Mitglieder in diversen Ensembles. Anton stach besonders hervor was Gesang und Schauspiel betraf. So war es nicht verwunderlich, dass er bei den Unterhaltungsabenden des Max Schindler regelmäßig auftrat und auch sonst gerne gesanglich agierte, wie das unten stehende Bild vom Krumpendorfer Seefest 1902 zeigt.
Anton, der die Rolle des Ritter Kurt in der Oper „Der verwandelte Wille“ im Sommer 1898 in Krumpendorf sang, „riss das Publikum durch sein Spiel so hin, dass sein Erscheinen stets mit Applaus begrüßt wurde.“
Er sang ebenfalls 1898 aus der Oper „Die Antisemiten“ von R. Genée. „Er entledigte sich seine schwierigen Aufgabe so genial, daß man thatsächlich verleitet war, in ihm einen Berufskomiker zu erblicken.“ meinte der damalige Verfasser des Berichts in der Cur-Zeitung über diese Aufführung.
Schindlers Übersiedelung nach Krumpendorf
Bis zum ersten Weltkrieg gab es Veranstaltungen in der Bahnhofsrestauration, die dann zum Bahnhofshotel ausgebaut wurde. Mit Kriegsbeginn 1914 kam der Fremdenverkehr jedoch zum Erliegen. Nach Kriegsende war nichts mehr wie vorher. Der Vielvölkerstaat war zerfallen und es bestanden berechtigte Zweifel, ob der Rest der Österreichisch-Ungarischen Monarchie „Deutsch-Österreich“ überlebensfähig war.
Die Jahre bis zur Einführung des Schilling 1925 waren sowohl politisch wie auch wirtschaftlich äußerst schwierig. Erst danach begann sich die junge Republik zu erholen und man sah wieder Gäste im Ort.
Max Schindler übersiedelte während des Kriegs mit seiner Frau ganz nach Krumpendorf. Er war bereits in Pension. Die Villa musste adaptiert werden, um sie auch im Winter bewohnen zu können. Die Kriegsjahre und die Jahre danach waren für die Familie besonders hart. Die Aktien der Troppauer Zuckerfabrik (Troppau: Stadt in Mährisch-Schlesien, Tschechien), die das Vermögen der Familie ausmachten, hatten ihren Wert verloren. Jetzt waren Essen und Heizmaterial zentrales Thema. Man sammelte Holz, pflanzte zwar Gemüse und Kartoffeln an, aber es reichte nicht. Es war eine Zeit großer Entbehrungen. Da Max Schindler als freier Architekt keine Pension bekam, musste sein Sohn Max die Eltern und seine eigene Familie mit den Töchtern Magda und Judithmarie erhalten.
1929 ein Jahr nach dem Tod seiner Frau Anna starb Max Schindler. Er wurde in Krumpendorf/Pirk begraben. Den Besitz erbte sein einziger Sohn Max, der ebenfalls mit seiner Frau und den beiden Töchtern die Sommer in Krumpendorf verbrachte. Er war Beamter an der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs in Niederösterreich und später Bezirkshauptmann. Nach seiner Pensionierung übersiedelte auch er in die Villa Schindler an den Wörthersee. Seine Tochter Judithmarie erbte den Besitz 1960. Sie lebte bis zu ihrem Tod im Juni 2014 in der Villa, die ihr Aussehen seit sie in den Besitz der Familie gelangte, kaum verändert hatte.
Quellen:
- Geschichte des Mesier-Gutes zu Krumpendorf von Dr. Karl Dinklage, 1947
- Cur-Zeitung vom Wörthersee, Nr. 5, 24. Juli 1897
- Cur-Zeitung vom Wörthersee, Nr. 9, 20. August 1898
- Cur-Zeitung vom Wörthersee, Nr. 8, 13. August 1898
- Der Wörthersee – aus vergangenen Tagen, 1984,von Günther Karner und Mario Weiss
- Festschrift des MGV Seerösl zum 75-jährigem Bestehen, 1973
- Gespräche mit Dr. Judithmarie Schindler-Kunewald von Jänner bis Mai 2014
- Gespräch mit Elke Egger im April 2015