Der Tischler von Leinsdorf

Josef Mayrobnig, geb. am 19.11.1891, war als „Tischler von Leinsdorf“ vierzig Jahre selbständig tätig. Er entstammte der bekannten Krumpendorfer Familie Mayrobnig, die seit dem 17. Jahrhundert in Leinsdorf nachweisbar ist und im 18. und 19. Jahrhundert auf der Krakolinig-Hube oberhalb des Kraschonig-Anwesens wohnhaft war. Der „Krakolinig“ ist heute noch als Ruine, direkt nördlich der Wörthersee-Autobahn, erkennbar. Die Eltern von Josef waren Michael Mayrobnig vlg. Krakolinig, geb. 16.7.1859, der am Gut Schloss Drasing tätig war und Maria geborene Bürger, geb. am 28.1.1864, aus Moosburg.
Josef erlernte das Tischlerhandwerk und wurde nach dem Ende seiner Lehrzeit im Sommer 1912 zum damals zweijährigen Wehrdienst eingezogen. Danach wollte er die Meisterprüfung ablegen und sich in Krumpendorf selbständig machen. „Pepe“, wie ihn seine Freunde und Bekannten nannten, war ein weltoffener, fröhlicher und aktiver junger Mann, der sich gerne in Gesellschaft begab und mit Begeisterung in der Kirche, der Feuerwehr und der Laienschauspielgruppe im Ort aktiv war.

Josef Mayrobnig sen. in jungen Jahren
Josef Mayrobnig sen. in jungen Jahren

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ihm just zu dem Zeitpunkt, als er im Sommer 1914 abrüsten sollte, die Generalmobilmachung Österreich-Ungarns zum 1. Weltkrieg einen Strich durch die Rechnung machte. Auch das Ende des furchtbaren Gemetzels, das er an der Isonzo-Front erlebte, ließ ihn nicht unmittelbar in das ersehnte Zivilleben zurückkehren, sondern führte ihn direkt in den Kärntner Abwehrkampf, aus dem er erst im Frühjahr 1919 heimkam.

Dass Tischler Josef nicht nur äußerlich gewisse Ähnlichkeiten mit seinem Namensvetter Josef Schwejk aus dem berühmten Schelmenroman von Jaroslav Hasek aufwies, sondern ihm auch in seiner Schlauheit kaum nachstand, erlaubte ihm, unversehrt aus dem Krieg zurückzukommen und die fünf Jahre, die er als „Pfeifendeckel“ (Offiziersdiener) an der seinerzeitigen Schießstätte am Kreuzbergl in Klagenfurt verbracht hatte, ohne völlige Verdrehung der Tatsachen als Berufspraxis auszugeben. So wurde er in Windeseile Tischlermeister und machte sich 1919, zusammen mit seiner aus Molzbichl stammenden ersten Frau Theresia, geb. Unterschwinger, die er schon 1917 geheiratet hatte, in Krumpendorf selbständig.

Aus welcher Werkstatt Josef Mayrobnig seinem unternehmerischen Handwerk zunächst nachging, ist nicht mehr dokumentiert. Er war sich jedenfalls für keine Arbeit zu schade und lieferte alles – vom Bügeleisengriff bis zur kompletten Innenausstattung. Sein erstes Auftragsbuch, das er noch vor der Währungsreform 1919 begann, spiegelt bei den noch in Kronen angegebenen Preisen die gewaltige Inflation jener Jahre wider. Die Anzahl der Stellen vor dem Komma erhöhte sich fast auf jeder neuen Seite. 1925 konnten Josef und Theresia unter der Adresse Leinsdorf 27 ein Grundstück erwerben und begannen, dort ein Haus zu errichten. Bereits 1926 war das Haus fertig, in dem auch die Tischlerwerkstatt im Erdgeschoss untergebracht war. Das Haus, die „Villa Mayrobnig“ mit zugehöriger Tischlerei, blieb bis zu seinem Umbau im Jahre 1968 unverändert.

Mit Einführung des Schillings als neue Währung im März 1925 folgten krisenhafte Jahre: Die Wirtschaft fiel in eine schwere Rezession, auch die Tischlerei Mayrobnig blieb davon nicht verschont. Legendär ist Josef Mayrobnigs Ausspruch: „Mir hom die Händ weh geton vur lauter ka Orbeit“, wenn er später von den harten Zeiten erzählte.

Einen ziemlichen Schrecken erlebte der Leinsdorfer Tischlermeister, als im Juni 1928 ein Brand in der Werkstatt ausbrach, der aber rasch eingedämmt werden konnte. Der Schaden war zum Glück nicht zu groß. In der wirtschaftlich schwierigen Zeit half Josefs Frau Theresia mit ihren Ersparnissen so gut es ging aus, sodass die Tischlerei 1930 um ein Maschinenhaus erweitert werden konnte. Dieses „Hofhäusl“ wurde später um drei Fremdenzimmer vergrößert. Der Zeit entsprechend wurden am Grundstück in einem eigenen Gehege Hühner gehalten und es gab auch einen Schweinestall.

Haus Mayrobnig 1967
Mayrobnighaus mit Hofhäusl (im Hintergrund) 1967

Die Ehe mit Teresia blieb kinderlos. Noch viel schlimmer: Theresia verstarb nach längerer Krankheit schon 1930 mit nur 37 Jahren.

Tischlermeister Josef Mayrobnig, der grundsätzlich ein positiver Mensch war, hielt als Witwer, sicherlich auch der wirtschaftlichen Notwendigkeit folgend, nach einer geeigneten neuen Lebenspartnerin Ausschau, mit der er auch seine Idee einer traditionellen Familie, mit einem Sohn und Nachfolger, verwirklichen konnte. Trotz seiner bereits vierzig Jahre fand er eine neue, junge Frau in der vulgo Brock-Tochter Serafine Krainer, geb. am 6.1.1910, aus Winklern bei Pörtschach. Am 25. Mai 1931 wurde geheiratet.

Gemeinsam arbeitete das Ehepaar dann jeder in seinem Bereich: Josef in der Werkstatt und Fini im Haus, in dem sie bald zusätzliche Fremdenzimmer einrichtete, die von „Sommerfrischlern“ gerne in Anspruch genommen wurden. Daraus entstanden mit den Gästen gute und langjährige Freundschaften, die bis in die Gegenwart und über Generationen gepflegt werden.

Gastfamilie Zimmermann aus Hamburg
Mit Gastfamilie Zimmermann aus Hamburg vor dem Werkstatteingang
Gastfamilie Bach aus Düsseldorf vor dem Hofhäusl
Mit Gastfamilie Bach aus Düsseldorf vor dem Hofhäusl

Endlich stellte sich auch das erhoffte freudige Ereignis ein: Am 25.4.1932 erblickte Josef jun. das Licht der Welt. Josef sen. war sehr stolz auf seinen spät geborenen Stammhalter. Da es keine weiteren Kinder gab, wuchs der kleine Pepi sehr behütet auf und wurde ein tüchtiger Sohn, der seinen Eltern wenig Grund zur Sorge bereitete. Auch der Junior erlernte das Tischlerhandwerk und arbeitete bald fleißig in der Werkstatt mit.

Josef Mayrobnig jun. in der Werkstatt
Josef Mayrobnig jun. in der Werkstatt

Der junge Pepi war, wie sein Vater, ein sehr geselliger Bursche, war ebenso bei der Freiwilligen Feuerwehr und trat als junger Mann dem „Männergesangsverein Seerösl Krumpendorf“ bei. Er war auch unter den ersten Aktiven bei der Neugründung des „Krumpendorfer Sportklubs“ dabei, der damals seinen Fußballplatz in der Wieninger Allee hatte. Schon sehr bald fiel dem Hobbykicker und Jungtischler ein Mädchen auf, das mit seiner italienischen Mutter und der kleinen Schwester in der nahen Pamperlallee wohnte. Sie war hübsch, ein bisschen exotisch und als Flüchtlingskind völlig mittellos. Für den Sohn eines angesehenen Krumpendorfer Gewerbetreibenden war die Beziehung zu Gabriella Gross – so hieß das Mädchen – so etwas wie eine Mesalliance, was den Reiz für Pepi wohl noch erhöhte. Schon 1950 waren die beiden ein Paar und blieben es 70 Jahre lang.

Nach den dürftigen Jahren des Krieges und der entbehrungsreichen Nachkriegszeit war das Krumpendorfer Gesellschaftsleben auch durch den aufkommenden Fremdenverkehr und den damit steigendem Unterhaltungsangebot, wieder in Schwung gekommen. Gabi und Pepi waren bald ein gern und oft gesehener Teil des örtlichen Geschehens.

Ehepaare Mayrobnig (li) und Kernjak (re) 1952
Ehepaare Mayrobnig (li) und Kernjak (re) 1952 beim Feuerwehrball

Vater Josef sen. legte großen Wert darauf, dass sein Sohn als Tischlerlehrling und -geselle seinen Freizeitaktivitäten nicht zu viel Raum ließ und zu Hause tüchtig mit anpackte. Pepi durchlief Haupt- und Berufsschule mit ausgezeichneten Noten und schien in seinem Werdegang als Nachfolger in der Leinsdorfer Tischlerei vorbestimmt.

Dem Senior fiel mit zunehmendem Alter die manuelle Tätigkeit körperlich immer schwerer, dazu kamen gesundheitliche Probleme mit Herz und Lunge. Pepi besuchte die Meisterschule in Villach und wurde einer der jüngsten Tischlermeister Kärntens. Sowohl Vater als auch Sohn waren überzeugt, dass der seit dreißig Jahren bestehenden, kleinen Tischlerei in Leinsdorf keine große Zukunft beschieden war und planten gemeinsam, den Betrieb durch einen Zubau zu erweitern. 1958 waren die entsprechenden Pläne bewilligt.

Bevor es aber dazu kam, wurde Pepi vom sommerlichen Stammgast Hans Bach (siehe Familie Bach oben) angeboten, die Betriebsleitung einer Sonnenschutzfabrik in Berlin zu übernehmen. Obwohl das Angebot aus heiterem Himmel und sehr kurzfristig kam, war der Junior begeistert, hatte er doch immer davon geträumt, in die weite Welt zu ziehen. Berlin schien da genau das Richtige für ihn zu sein. Auch Gabi war schnell für das Abenteuer gewonnen.

Für Josef Mayrobnig sen., Gründer und langjähriger Betreiber der letzten Tischlerei in Leinsdorf, ging sein Lebenswerk zu Ende und zunächst die Welt unter. Auch Mutter Fini war entsetzt. Berlin schien doch viel zu weit weg. Pepi blieb unbeirrt; mit seinem Vater wurde besprochen, wie die Tischlerei Mayrobnig in den nächsten Jahren ihr unspektakuläres Ende finden sollte. Der alte Pepe ging in Pension. Seine Frau und er konzentrierten sich auf die Vermietung ihrer Fremdenzimmer im Sommer.

Das Berliner Abenteuer begann mit der Hochzeit von Pepi und Gabi in Berlin im April 1958. Kurz danach begann Pepis Mutter Serafine zu kränkeln, sodass er schon nach kurzer Zeit über eine Rückkehr – oder zumindest Annäherung an Krumpendorf – nachdachte. Nachdem er in Erfahrung gebracht hatte, dass die österreichische Vertretung der Firma Luxaflex, für die er in Berlin die Fertigung leitete, dringend einen Vertreter für Westösterreich suchte, nahm Pepi diesen Posten bei der Linzer Firma Wick an und lebte die nächsten sieben Jahre in Salzburg. Dort musste er 1961 den viel zu frühen Tod seiner Mutter Serafine betrauern.

1966 ergab sich für Josef Mayrobnig jun. die Möglichkeit, mit seiner Familie – Gabi und mittlerweile drei Söhnen – zum Vater nach Krumpendorf zurückzukehren. Seinen Linzer Partnern von der Familie Wick war eine Klagenfurter Großtischlerei – die Klagenfurter Holzindustrie (KHI) – zur Übernahme angeboten worden. Unter der Bedingung, dass Josef Mayrobnig die neue Firma leiten sollte, sagte Josef Wick zu. So wurde Josef Mayrobnig 1967 Prokurist der KHI (später Wick Fenster GmbH), wo er aus einer veralteten und schlecht geführten Tischlerei mit Sägewerk einen führenden Produktionsbetrieb von Fenstern, Türen und Sonnenschutz in Klagenfurt machen konnte.

Josef Mayrobnig sen. mit Enkel Wolfgang 1966 vor der Werkstatt
Josef Mayrobnig sen. mit Enkel Wolfgang 1966 vor der Werkstatt


Der alte Tischler in Leinsdorf, Vater Josef, konnte sich nur kurz über Pepis berufliche Erfolge und die lebhaften kleinen Enkel im Haus freuen. Wenige Monate nach der Übersiedlung der jungen Familie aus Salzburg verstarb Josef Mayrobnig sen. im März 1967 mit 75 Jahren.

Josef Mayrobnig jun.
Josef Mayrobnig jun.

Der Prokurist Josef Mayrobnig war als Tischlermeister in seiner Leitungsfunktion in Klagenfurt tätig; sein Elternhaus mit der Tischlerei wurde schließlich ab 1968 umgebaut, um dem steigenden Platzbedarf einer Familie mit mittlerweile vier Söhnen (Josef, Bernd, Wolfgang und Michael) Rechnung zu tragen. Das Hofhäusl stand noch über zwanzig Jahre länger, bis der jüngste Sohn (der ebenfalls Josef „Seppi“ Mayrobnig heißt) an seiner Stelle ein Einfamilienhaus errichtete. Damit war die Tischlerei Mayrobnig in Leinsdorf Geschichte – aber sowohl in der ehemaligen Villa mit Werkstatt als auch im ehemaligen Hofhäusl mit Maschinenhalle lebten weiterhin zwei Tischlermeister namens Josef Mayrobnig.

Haus Mayrobnig nach Umbau1968
Haus Mayrobnig nach Umbau1968

Seppi Mayrobnig verbrachte seine Lehrzeit in der Tischlerei Hermann Strauß sen. in der Moosburger Straße in Krumpendorf und trat nach seiner Meisterprüfung in Villach ebenfalls in die von seinem Vater geleitete Firma Wicknorm in Klagenfurt ein, deren Geschäftsführung er nach dem Ausscheiden seines Vaters übernahm.

Der nunmehrige Senior Pepi Mayrobnig engagierte sich in seiner Freizeit nach Kräften für die Allgemeinheit in seiner Heimatgemeinde und war in der Gemeindepolitik und für verschiedene Vereine, vor allem den Krumpendorfer Sportklub KSK, ehrenamtlich tätig. Er verstarb mit 88 Jahren im September 2020, wenige Wochen nach dem Tod seiner Frau Gabi.


Quellen:

Text: Heinz Kernjak und Michael Mayrobnig
Fotos: Michael Mayrobnig

 

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