Mit einem selbst montierten Schwungtrapez aus Holz begann die außergewöhnliche Geschichte der Trapezartisten von Krumpendorf.
Als Walter Feucht im Jahr 1956 den Film „Trapez“ sah, ahnte er wohl kaum, dass die spontane Begeisterung sein weiteres Leben tiefgreifend beeinflussen würde. Zu diesem Zeitpunkt wusste er auch nicht, dass der Film fast zur gleichen Zeit dieselbe Initialzündung bei noch jemandem auslösen würde, nur an einem anderen Ort.
Das zufällige Aufeinandertreffen der beiden etwas später beim Grazer Turnverein könnte man als Schicksal bezeichnen.
Zitat aus Buch „Trapez“ von Charlie Maicher, 2022
Es waren der Student Walter Feucht und der Lithograf Ferenc Schweinzer, die von da an ihr Ziel, Trapezartisten zu werden, konsequent verfolgten. Der erste als Flieger, der zweite als Fänger.

Oberhalb des Elternhauses von Walter Feucht in Krumpendorf startete man mit einem kleinen Trapez und einigen Gleichgesinnten: Karin Lukas, Helmut Steinberger und Alarich Seunig.
Nach einer schweren Krankheit musste Ferenc seine Pläne, bei der Trapezgruppe Croneras als Fänger einzusteigen, vorerst aufgeben. Nach seiner Genesung war er mit einer Handstand-Nummer mit dem Wanderzirkus „Saluti“ unterwegs. Walter hatte in der Zwischenzeit sein Studium in Sport und Mathematik beendet und eine Anstellung als Mittelschullehrer gefunden.

Das erste richtige Trapez in Krumpendorf entstand 1969. Nun waren auch Klaus Eichholzer und Rita Begusch dabei. Karin Lukas war nach Südtirol übersiedelt, Alarich Sennig nach Wien und Helmut Steinberger verunglückte in den Karawanken tödlich.

Intensiv wurde am Trapez oberhalb von Krumpendorf geturnt, was man vom Ort aus gut sehen konnte, vor allem abends, wenn die Lichtanlage eingeschaltet war.



Starker Nachwuchs fand sich dann ab 1973 ein: Reinhard „Richi“ Zinner, Peter Glanzer, Karl „Charlie“ Maicher, Ingrid Gradnig und Desiree Zimmer. Diese bildeten dann die Stamm-Mannschaft. Manch andere kamen und gingen: Reinhard Langer, Günther Luschin, Berthold Koschu, Karin Riessner, Emmy und Franziska Rabl, Gottfried Mirnig, Niki Kerschischnig, Barbara Rodrix, u.a.

Im Sommer 1977 besuchte Walter die „Saltas“ in Portugal und konnte mit Ihnen mit einem gestreckten Salto auftreten. Er war damit der erste von der Gruppe, der den Zirkustraum zumindest für einen Sommer verwirklichte.

Das Trapez war nicht nur Mittelpunkt der Freizeitgestaltung, es war viel mehr, Leidenschaft und Begeisterung, Faszination und Anerkennung. Ingrid Gradnig erinnert sich, als sie zum Trapezturnen als Fünfzehnjährige eingeladen wurde:
Die Folge war eine wunderbare, spannende Zeit mit der Trapeztruppe oder wohl eher Trapezfamilie!
Zitat aus den Buch „Trapez“
Das bedeutete Freundschaft und Vertrauen, Trainings, die auch manchmal mit blutigen Blasen an den Händen endeten, die Erinnerung an den Geruch von Schweiß und Magnesium, Lagerfeuer unter dem Blätterdach, Gespräche und Spaß.
Unvergesslich aber das unbeschreiblich schöne Gefühl des Schwingens hoch über dem Sicherheitsnetz, festem Boden und Krumpendorf, verbunden mit viel Herzklopfen teils aus Angst, Nervosität vor Auftritten oder einfach nur wegen der Anstrengung, das eigene Gewicht mit den Händen halten zu müssen.
Und dann war da noch der kurze freie Fall.
Danke!
Auch die Presse interessierte sich für die „Artisten am Berg“, und immer mehr Krumpendorfer waren gerne als Zuschauer dabei.

In den Jahren von 1969 bis 1980 entstanden mehrere Super 8 Filmaufnahmen, die das Training der Gruppe zeigen.
Immer wenn ein Zirkus mit einer Trapeznummer in Kärnten gastierte, klopfte Charlie dort an. Dadurch entstanden wichtige Kontakte zu Profigruppen wie den „Flying Rodleighs“, den „Les Saltas“ und anderen. Man bekam Tipps und Hilfe bei den Nummern. Mit den Rodleighs bestand der Kontakt zehn Jahre.

1979 gab man sich den Künstlernamen „Los Convoloys“ (Name für ein griechisches „Spielzeug“, das Walter von einem Urlaub mitgebracht hatte) und trat immer mehr in die Öffentlichkeit: mehrmals beim Lendhafenfest in Klagenfurt, beim Veldener Sommer-Karneval, am Klopeinersee, bei der Woche der Begegnung im Europapark und auch in anderen Bundesländern.




Charlie Maicher suchte nach Alternativen und einem sicheren Platz in der Nummer und fand diesen als Clown. Sein erster Auftritt in der neuen Rolle in Velden 1983 war ein großer Erfolg. Martina Gradnig stieß 1986 zur Gruppe.

Die erste selbst organisierte Veranstaltung war die „Nacht der Gaukler“ im Juli 1986 am Terrassenareal am See. Eigens dafür wurde der „Verein für Amateurartistik“ gegründet. Alles wurde selbst gemacht: Gastronomie, Programm, Gestaltung, Werbung und was sonst noch dazu gehörte. Ein umfangreiches Rahmenprogramm bot vielfältige Unterhaltung (Militärkapelle, Musikband Motion Men, Trapez, Wasserskishow, Feuerschlucker, Bauchtanz, Ö3-Disco, Feuerwerk). Das Fest wurde mit ca. 3.000 Besuchern ein fulminanter Erfolg. Diese Veranstaltung am Terrassenareal in Krumpendorf fand mehrere Male statt und brachte tausende begeisterte Zuschauer.


Kurz darauf stürzte Peter Glanzer bei einer Vorstellung in Keutschach nach einem missglückten „Salto mortale“ (dreifach Salto) kopfüber ins Netz. Es traten Lähmungserscheinungen auf und man vermutete einen Halswirbelbruch. Im LKH stellte sich zum Glück heraus, dass es nur eine schwere Zerrung und eine Prellung waren.

Da es nach der äußerst kräftezehrenden Saison zu Spannungen in der Gruppe kam, zog sich Walter für einige Jahre zurück. Ferenc erklärte sich mit ihm solidarisch und legte ebenfalls eine Pause ein. Richi ersetzte ihn in dieser Zeit als Fänger.
Große Aufregung kam in die Gruppe, als man die Möglichkeit bekam, im Jänner 1990 in Reims (Frankreich) Auftritte im „Cirque Educatif“ zu absolvieren – für eine Hobby-Truppe eine Sensation! Urlaube mussten nun genommen werden, Schulfreistellungen waren notwendig und vor allem viele Vorbereitungen technischer Natur. Auch die Fahrgelegenheiten mussten erst besorgt werden. Viele Trainingsstunden absolvierten die Artisten auch in der Messehalle 3 in Klagenfurt. Dann ging es ab nach Frankreich: Akklimatisation, Kennenlernen von Kollegen, Aufbau des Trapezes, erste Trainingseinheiten – und dann kam der Sturm! Das Zelt musste abgebaut werden, ebenso das Trapez, und die schlechte Wetterlage ließ dann keine Auftritte zu. Der Zirkus übersiedelte in einen für das Trapez zu niedrigen Turnsaal. Aus der Traum, aber alle kamen wieder gesund zurück.


in Frankreich Zirkusluft, 1990
Walter Feucht stieß 1990 wieder mit neuem Elan zur Gruppe, ein kleines Trapez wurde zusätzlich aufgebaut und viele junge Krumpendorfer konnten sich dort ausprobieren.
Immer wieder gab es technische Probleme zu lösen, beginnend mit dem Transport des Trapezes zu den einzelnen Veranstaltungsorten bis zu den wichtigen Sicherheitsmaßnahmen am Gerät. Walter Feucht und seiner akribischen Arbeit ist es zu verdanken, dass es nie zu einem Unfall wegen technischer Probleme kam.

Eine Artistin aus der Gruppe, Christiane Bovenschen, schaffte den Weg zum Profi. 1992 stieg sie bei den „Flying Madison“ als Fliegerin ein. Ihr Weg führt sie mit verschiedenen Gruppen von Europa nach Südafrika und wieder zurück quer durch Europa. Seit 2010 lebt sie wieder in Kärnten.

„Fliegende Kugeln“, 1992
In den Sommermonaten 1993/1994 stellte man das Trapez südlich der Universität Klagenfurt auf. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Atik – Artistik und Tanzinitiative Kärnten“ erfolgten viele Auftritte, ebenso beim Altstadtzauber in Klagenfurt.

In Krumpendorf kam es ebenfalls immer wieder zu Auftritten. Im Schlosspark (später „Florianipark“) konnte man das Trapez länger stehen lassen.
Das „Unternehmen Trapez“ wurde mit Spenden finanziert, den Großteil brachten die Artisten aber selbst auf, viele Geldmittel kamen aus der eigenen Tasche. Neben dem ständigen Training mussten sie nicht nur ihrem „Brotberuf“ nachgehen, auch der Jahresurlaub musste immer wieder dafür herhalten.
Es wurde nur noch wenig geturnt. Die Artisten waren auch nicht mehr die Jüngsten und es fehlte an Nachwuchs. Mit dem letzten Auftritt bei der selbst organisierten Veranstaltung „live dabei“ in der Messehalle 3 in Klagenfurt ging eine Ära zu Ende.

v.l. Walter Feucht, Gitti Opetnik, Peter Glanzer, Charlie Maicher, Ferenc Schweinzer
Der Zenit war überschritten. Zusätzlich fehlte begeisterter Nachwuchs. Viele Jahre mit Enthusiasmus, Schweiß, Blut und unzähligen schönen Stunden rund um das Trapez und am Lagerfeuer. Harte Arbeit bei den Auf- und Abbauten, circa 100 Auftritte, Applaus, Anerkennung und lebenslange Freundschaften. Das alles war etwas ganz Besonderes.
Charlie Maicher
Walter Feucht schrieb als letzte Eintragung ins Trainingsbuch:
Heute zum 27. September 2014 am Vormittag wurde von Albert und mir das letzte in den Himmel ragende Denkmal der Krumpendorfer Trapezära in Gestalt des kleinen Ü-Trapezes umgelegt bzw. zum Umfallen gebracht und „versorgt“. Somit gibt es keine aus Metall errichtete Konstruktion mehr, welche an die glorreichen Zeiten des „Trapezgeschehens“ sichtbar erinnert.
Walter Feucht, Samstag, 27 Sept. A.D. 2014 20:40
Beim Schreiben dieser Zeilen kullerten mir doch einige Tränen unter der Brille über die Wangen, tropften auf den Tisch und verflüchtigten sich im Ozean der Weltenlüfte.
A bisl traurig bin i scho. Oba nur a bisl.
Trapezartisten und -artistinnen
Die folgende Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie listet die Personen auf, die in der Gründungsphase dabei waren oder über einen längeren Zeitraum der Gruppe angehörten.
- Walter Feucht (+)
- Franz „Ferenc“ Schweinzer
- Helmut Steinberger (+)
- Alarich Seunig
- Peter Glanzer
- Ingrig Gradnig
- Martina Gradnig (verh. Grave)
- Karl „Charlie“ Maicher
- Brigitte Opietnik (+)
- Reinhard Zinner (+)
- Klaus Eichholzer
- Albert Altmann
- Désirée Zimmer
- Rita Begusch
- Christiane Bovenschen
Quellen:
- Karl Maicher, Buch in Eigenproduktion, „Trapez“, Krumpendorf, 2022
- Fotos: zur Verfügung gestellt von Karl Maicher
- Gespräche mit Karl Maicher 2022 und 2023
- Kärntner Tageszeitung, Mathematiklehrer schlägt Salti über Krumpendorf, 1972
- Kurier, Salto unter der Sonne, 1974
- Kärntner Tageszeitung, Die Gefahr als Hobby für fünf, 4. Dezember 1974
- Kleine Zeitung, Der fliegende Professor und sein junges Team, 21. Juni 1978
- Kleine Zeitung, Los Convolois, 19. August 1981
- Kärntner Tageszeitung, Mit beiden Beinen fest in der Luft, 15. Jänner 1984
- Kleine Zeitung, „Salto mortale“, 21. Oktober 1985
- Kronen Zeitung, Ein Kärntner Flieger abgestürzt, 30. Juli 1986
- Kärntner Tageszeitung, Absturz: „Ich hör auf!“, 30. Juli 1986
- Kronen Zeitung, Fliegende Kärntner am Trapez, 23. August 1988
- Kleine Zeitung, Kärntner Artisten schnuppern in Frankreich Zirkusluft, 15. Jänner 1990
- Kleine Zeitung, Wenn Lehrer am Trapez hängen: „Fliegende Kugeln“, 10. August 1992
- Rheinische Post, Schwerelos durch die Circus-Kuppel, 6. Mai 1995
- Video der Vorstellung der Convoloys am Klopeinersee 1988: https://www.youtube.com/watch?v=hqT4Thu5f0o